Der letzte Kreuzritter

Bayern: Der Staat hängt das Kreuz auf, die Kirche nimmt es ab

Die Anbiederung des Münchner Kardinals Marx an das politmediale Establishment kennt immer weniger Tabus.

Ich bin froh, dass ich kein Bayer bin. Meine Kirche braucht Einheit, weshalb unvorstellbar viel vorfallen müsste, bevor ich meinen Bischof oder meinen Papst angreife. Bei Reinhard Marx kann ich aber nicht mehr an mich halten. Ausgerechnet der Münchner Kardinal hat die bayrische Regierung dafür gerügt, dass sie Kreuze in die Eingangsbereiche bayrischer Behörden hängen will. Dieser Erlass habe laut Marx zu „Spaltung, Unruhe, Gegeneinander“ geführt. Er sagte das in der „Süddeutschen Zeitung“, die das Pontifikat des bayrischen Papsts mit Gift und Galle begleitet hatte.

Marx warf dem bayrischen Ministerpräsidenten, Markus Söder, vor, das Kreuz „im Namen des Staates enteignet“ zu haben. Er fügte hinzu: „Wer ein Kreuz aufhängt, muss sich an diesen Maßstäben messen lassen.“ Das wäre eine starke Ansage. Käme sie nicht ausgerechnet von jenem Bischof, der Ende 2016 auf dem Jerusalemer Tempelberg so freundlich war, sein Kreuz aus Rücksicht auf muslimische Gastgeber abzunehmen. Peter Stephan Zurbriggen, der päpstliche Nuntius in Österreich, gestand nun in Heiligenkreuz, dass ihn das Verhalten solcher Bischöfe „beschämt“. Diese „religiöse Correctness“, sagte der Nuntius, gehe ihm „langsam auf den Nerv“. Es fiel auch das Wort „Schande“.

In den 1990er-Jahren fand ich Marx gut. In Talkshows erlebte ich einen gewinnenden Kirchenmann – witzig, geistreich, lebenslustig. Inzwischen hört man von einem „fürstbischöflichen Lebens- und Herrschaftsstil“, und seine Anbiederung an das politmediale Establishment kennt immer weniger Tabus. Dass Marx 2015 auf dem Münchner Hauptbahnhof „Welcome“ rief, konnte noch als christlich gelten. Fotos zeigen, dass Marx den Ankömmlingen aus dem Orient schon damals den Anblick eines Kreuzes auf seiner Brust ersparte. Ende 2017 forderte er dann vollen Familiennachzug für Hunderttausende subsidiär Schutzberechtigte. Da sprach nicht mehr der barmherzige Samariter. Da sprach ein Politiker, der Deutschland aktiv islamisiert.

Zu allem Unglück ist Marx auch Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz. Als solcher lobt er seinen Namensvetter Karl für „Analyse und Kritik des Kapitalismus“, als solcher hält er eine Segnung homosexueller Paare „in Einzelfällen“ für möglich. Die Kirche in Deutschland ist die reichste der Welt, große Teile der Weltkirche hängen an ihrem Tropf. Am Tropf von Leuten, die nicht mehr wissen, wo oben und unten ist.

Ich bin froh, dass ich kein Bayer bin. Auch Kardinal Marx ist keiner. Die Bayrische Verfassung hat einen Gottesbezug, „angesichts des Trümmerfeldes, zu dem eine Gesellschaftsordnung ohne Gott geführt hat“, doch wird gerade der Freistaat von 200 Kirchenschändungen pro Jahr heimgesucht. In Passau wurde ein Vortragekreuz entzweigeschlagen, die Gipfelkreuze auf mehreren Bergen wurden abgesägt, ein Türke zerschlug den Christus am Sendlinger-Tor-Kreuz in München.

Was Kardinal Marx darüber denkt, weiß ich nicht. Bei Söders Amtskreuzen ist er immerhin zurückgerudert. Das Kreuz sei „Erinnerungszeichen“ und „Einladung“, findet er nun, es solle zum Zeichen dafür gemacht werden, „dass diese Gesellschaft zusammenführt, dass sie integriert und dass sie sich neu vergewissert: Woher kommen wir? Auf welchem Fundament stehen wir?“ Ich finde gut, dass sich Marx das fragt.

Martin Leidenfrost, Autor und Europareporter, lebt und arbeitet mit Familie im Burgenland.

E-Mails an: debatte@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.05.2018)

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