Dollfuß, die Demokratie und die Definition von Demagogen

Anständige Politikerin„Ein Messinstrument für Rechtsextremismus“, Leitartikel von Michael Fleischhacker, 2. März
Dieser Schluss des ansonst hervorragenden Leitartikels ist nur zum geringeren Teil berechtigt. Die wirklich anständige Politikerin Barbara Rosenkranz wird auch von jenen Österreichern, die ihr Land lieben und noch nicht resigniert der Wahl fernbleiben, gewählt werden, die nicht die rechtswidrigen, demütigenden Sanktionen der EU gegen unser Land anbiedernd verdrängen, die sich nicht die beständigen scheinheiligen Verwarnungen oktroyieren lassen, im Sinne der „Aufarbeitung der Vergangenheit“ auf Dauer demütig gebeugt durch die Geschichte gehen zu müssen. Diese Wahl bietet allenfalls die rare Möglichkeit einer schweigenden Demonstration gegen die latente Verunglimpfung unseres Landes, etwa auch durch einen Kreis selbstgerechter Intellektueller, die auch im Feuilleton Ihres Blattes periodisch breiten Raum genießen.

Dr. Helmut A. Rainer
Innsbruck

Selbst für die FPÖ eine ChuzpeBarbara Rosenkranz als Angebot für bürgerliche VP-Wähler anzubieten ist selbst für die FPÖ eine ganz besondere Chuzpe. Dass die Voll-rechts-außen-Landesrätin allerdings ihren Job während des Wahlkampfes weitermacht (und weiterverdient), verwundert noch mehr. Da kommt der Verdacht auf, dass Landesräte eine überflüssige Position haben, wenn sie sieben Wochen niemandem abgehen... Ich müsste mir unbezahlten Urlaub nehmen – das ist eben der Unterschied!

Jill Sommerauer
1010 Wien

Unnötigster RepräsentantSeit vielen Jahren bin ich Abonnent der „Presse“ und habe sie immer als seriöses Informationsmedium mit hohem Niveau geschätzt. In den meisten Beiträgen Ihres Redaktionsteams sehe ich diese Einschätzung nach wie vor bestätigt. Dass ich die erwähnten Charakteristika, mit denen sich „Die Presse“ von anderen Zeitungsprodukten stets positiv abgehoben hat, in letzter Zeit ausgerechnet beim Chefredakteur manchmal vermisse, bedauere ich sehr.

Wenn z.B. zu lesen ist, dass die Tatsache, dass der einzige politische Repräsentant, der direkt gewählt wird, der unnötigste ist, was so ziemlich alles über den Zustand der österreichischen Demokratie aussagt, so hat mich das – gelinde gesagt – erstaunt. Eine derartige Aussage hätte ich nicht einmal von jenem Zeitungsherausgeber erwartet, der im selben Artikel „in der Buchstabengeriatrie in der Muthgasse“ geortet wird. Sollte man etwa der Auffassung sein, dass Aussagen wie diese einen positiven Einfluss auf die Auflage, ähnlich wie bei der eher gering geachteten Boulevardpresse, haben könnten?

Paul Koppensteiner
1140 Wien

Eine kühne Behauptung„Andreas Khol hat unrecht“, Meinung von Hannes Jarolim, 25. Februar
Nach wie vor scheint es unmöglich zu sein, auch nur halbwegs um Objektivität bemüht über die politischen Zustände im Österreich der Zwischenkriegszeit zu sprechen. Konsens besteht immerhindahingehend, dass die grausame Hinrichtung der Männer um Münichreiter ein Verbrechen war. Allerdings zu behaupten, dass es dem sozialistischen Lager ausschließlich um die Verteidigung derDemokratie gegangen wäre, ist mehr als kühn – selbst wenn dies in Einzelfällen sehr wohl der Fall gewesen sein mag. Wie Österreich nach einem Sieg der Sozialdemokratie aussehen sollte, hat der Gründer und General des Republikanischen Schutzbundes klar formuliert: Exekution aller christlich-sozialen Politiker, aller Offiziere des Bundesheeres ab dem Range eines Unteroffiziers sowie aller Beamten oberhalb der Position des Amtsrats. Fairerweise muss dazugesagt werden, dass diese Pläne von Theodor Körner als „Blödsinn“ bezeichnet wurden, dennoch wirft es, wie etliche Passagen in den Schriften Otto Bauers, ein bezeichnendes Bild auf die Gedankenwelt führender Männer des damaligen linken Lagers.

Prof. Wolfgang Schuster
1060 Wien

Widerlegt durch die GeschichteDie Meinung Jarolims, wonach bei Bestehen der Sozialdemokratie Österreich vor der Okkupation durch NS-Deutschland bewahrt worden wäre, wurde durch den weiteren Verlauf der Geschichte widerlegt. Deutlichster Beweis dafür: Die Tschechoslowakei, Demokratie und bis an die Zähne bewaffnet, hatte 1938/39 gegen Hitler nicht den Funken einer Chance. Zu diesem Zeitpunkt konnte oder wollte offenbar keine Macht der Welt Hitler stoppen.

Andreas Khol hat recht, wenn er die Nichtwiederherstellung der Demokratie nach dem März 1933 als eine Art Notwehr von Kanzler Dollfuß bezeichnet. Die Demokratie befand sich in einer tiefen Krise, woran wahrlich nicht allein die ChristlichSozialen Schuld trugen. Es geht nicht um Auf- oder Abrechnung – Tatsache ist aber, dass der Verbalradikalismus der Sozialdemokratie, die Mobilmachung der Straße durch den Schutzbund, die Drohung mit einer „Diktatur des Proletariats“, das Inbrandstecken des Justizpalastes u.a.m. das bürgerliche Lager geschockt, die Demokratie beschädigt haben. Mit Ausnahme der Tschechoslowakei (s.o.) von Diktaturen umgeben, versuchte Dollfuß einen neuen, freilich ebenso vergeblichen Weg. Zur Diskussion über die Februar-Opfer darf auch auf die außenpolitischen Aspekte des Februar 1934 verwiesen werden, die Dollfuß unter Zugzwang gebracht haben. 1964 haben Gorbach und Pittermann über die Gräber des Februar 1934 den Versöhnungshandschlag geleistet. Wohl aus der einzig richtigen Erkenntnis heraus, dass Geschichte nur aus der Zeit, in der sie geschehen ist, zu verstehen ist – und nicht mit heutigen Augen. Das sollten auch die angeblich 97 Forscher berücksichtigen.

Prof. Dr. Franz Oswald
1230 Wien

Wer ist hier der Demagoge?„Warum nicht eine Anti-Moslem-Truppe?“, Meinung von Erich Kocina, 1.3.
Sie haben die Ergebnisse einer Imas-Studie veröffentlicht, die besagt, dass ein großer Teil der Österreicher dem Islam skeptisch gegenübersteht. Erich Kocina schreibt, dass das Studienergebnis auf die „Demagogen“ (wen auch immer er damit meint) zurückzuführen ist. Abgesehen davon, dass dieses Argument zu vage und zu kurz gegriffen ist, behaupten die Studienautoren genau das Gegenteil. Sie sehen nämlich diesbezüglich einen Unterschied zwischen öffentlicher (= Umfrageergebnis) und veröffentlichter Meinung (= Massenmedien). Eine Ansicht, die ich aufgrund meiner persönlichen Erfahrung teile. Dieser Unterschied ist meiner Ansicht nach z.B. in der ORF-Berichterstattung auszumachen, bei der versucht wird, problematische Aspekte des Islam unter den Tisch zu kehren bzw. durch die rosarote Brille zu betrachten.

Jetzt stelle ich die gewagte Frage in den Raum, ob nicht vielleicht diejenigen, die die problematischen Seiten des Islam schönreden und damit offensichtliche Missstände leugnen und verschweigen, ebenfalls Demagogen sind? Schließlich werden dadurch Probleme nur verschlimmert.

Mag. Dietmar Rausch
1140 Wien

Kinder „Geiseln“ des Staates„Väteraktivisten unter Terrorverdacht“, 20. Februar
Die Gerichte mit Anträgen überschwemmen wollte da einer, unterlegt mit bizarren Drohungen und Beschimpfungen gegen Richter. Was hat die Justiz gemacht? Sie hat happige Gerichtsgebühren für Besuchsrechtsanträge eingeführt, die gerade die Unzahl der Väter trifft, die nach einer Trennung ihre Kinder nicht sehen können und sich trotzdem wohlverhalten. Erstaunlich, wenn man sich ansieht, wie viele Kinder der Staat quasi als „Geiseln“ nimmt, indem er Besuchskontakte verschleppt oder untätig zusieht – man erinnere sich auch an den getöteten 17 Monate alten Luca –, und dass tatsächlich nicht mehr passiert als ein paar Drohungen.

Robert Boder
1220 Wien

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.03.2010)

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