Waldbeeren und Weintrauben statt Chia und Goji

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Symbolbild. (c) farbkombinat - Fotolia (Ines Pérez Navarro)
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Von den als Superfood gehypten Lebensmitteln kann man getrost die Finger lassen, meint der Ernährungswissenschaftler Karl-Heinz Wagner anlässlich einer Pflanzenausstellung im Botanischen Garten.

Arnika, Salbei, Schlafmohn und Maiapfel – der Botanische Garten der Universität Wien steht derzeit ganz im Zeichen von Heilpflanzen und ihrer Rolle in der Medizin. Einer der Themenkreise, mit denen sich die aktuelle Freilandausstellung kritisch beschäftigt, betrifft auch Superfood (siehe Lexikon), das schon seit Längerem viele heimischen Teller aufpeppt. Es handelt sich dabei um Lebensmittel, die angeblich einen hohen Vitamingehalt haben und vor Krankheiten schützen sowie den Alterungsprozess verlangsamen sollen. Besonders Ernährungswissenschaftler haben damit ihre liebe Not. Die Aussagen zu ihrer Wirkung seien meist nicht wissenschaftlich fundiert, so Karl-Heinz Wagner vom Department für Ernährungswissenschaften der Uni Wien. Er bezieht sich in erster Linie auf die im Netz gehypten exotischen Früchte, Samen und Beeren, denen geradezu Wunderwirkungen nachsagt werden. Sie sollen nicht nur gesund halten, sondern auch satt und schlank machen. „Ein Großteil dieser Lebensmittel, die oft extrem teuer sind, ist wissenschaftlich nicht untersucht. Die genaue Zusammensetzung ist meist nicht bekannt, und bei Stichproben hat man sogar toxikologische Wirkungen gefunden. Völlig außer Acht gelassen wird auch der CO2-Fußabdruck“, präzisiert Wagner seine Zweifel am Gesundheitsgehalt der Exoten.

Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) versucht mit der sogenannten Health-Claims-Verordnung, irreführenden gesundheits- und nährwertbezogenen Angaben einen Riegel vorzuschieben. Ihr zufolge sind Angaben zu Gesundheitsvorteilen nur zulässig, wenn diese in einem vorgegebenen Verfahren wissenschaftlich anerkannt wurden. Auf diese Weise mussten bereits bei einigen dieser Superfood-Produkte Hinweise über die vermeintliche Gesundheitsförderung zurückgenommen werden.

Warum in die Ferne schweifen?

Für Wagner hat sich der Superfood-Trend allerdings längst zum Selbstläufer entwickelt. Konsumenten seien rationalen Argumenten nicht mehr zugänglich, meint er resignierend. Ein gutes Geschäft für die Superfood-Produzenten. „Überdies kursiert die Meinung, dass sich mit einem bestimmten Test untersuchen lasse, ob Lebensmittel unbedenklich und gesundheitsfördernd seien“, so Wagner. Dabei handelt es sich um den Orac-Test, einen In-vitro-Test, der die antioxidative Wirkung eines Lebensmittels, sprich dessen Schutz vor Schädigung durch freie Radikale, anzeigt. Der Test könne aber keinen Aufschluss über die gesundheitliche Wirkung von Lebensmitteln geben, warnt Wagner: „Er findet im Reagenzglas statt und kann bestenfalls einen Hinweis geben, aber keine für die Wirkung auf den menschlichen Körper gültige Aussage treffen.“

Der Forscher verweist auf das Superfood vor unserer Haustür und in unseren Gärten: Grünes Gemüse, Nüsse, Weintrauben, Hülsenfrüchte, Kohl, Zwiebel, Leinsamen, Waldbeeren – sie alle tun dem Körper Gutes. Diese Lebensmittel seien zwar nicht so exotisch, so Wagner, haben dafür aber keinen langen Transportweg hinter sich und seien überdies in den meisten Fällen tatsächlich bereits wissenschaftlich untersucht.

Die Ausstellung im Botanischen Garten im dritten Wiener Gemeindebezirk, den Maria Theresia übrigens 1754 auf Anraten ihres Leibarztes anlegen ließ, läuft noch bis 30. Oktober.

LEXIKON

Superfood ist ein Marketingbegriff für Lebensmittel, die besonders gesundheitsfördernde Wirkungen haben sollen. Bei den meisten der als Superfood bezeichneten Samen und Beeren wie Açaí, Chia, Goji, Maqui oder Moringa fehlen wissenschaftliche Untersuchungen, Stichproben haben mitunter sogar Belastungen mit Pestiziden, Schwermetallen oder Mineralöl zutage gebracht.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.07.2018)

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