Eine verdiente Gleichstellung

Keine Religion sollte heute darüber bestimmen können, wer eine Zivilehe eingehen darf und wer nicht.

Kreuzritter Martin Leidenfrost hat recht mit seiner Aussage, dass „die Uhr tickt“ bezüglich der Gesetzesreparatur zur Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare und der Eingetragenen Partnerschaft für heterosexuelle Paare („Presse“ vom 8.9.). Der Verfassungsgerichtshof hat das Inkrafttreten der Gesetzesänderung nach seinen Vorschlägen nur als allerletzte Möglichkeit vorgesehen, um den diskriminierenden Zustand im Ehe- und Partnerschaftsrecht zu beseitigen.

Im nächsten Punkt muss jedoch gesagt werden: Die Ehe für alle bringt keineswegs die „Privilegierung“ einer Minderheit, sondern die verdiente Gleichstellung. Vorurteile sind in unserer Gesellschaft noch häufig anzutreffen. Nach wie vor ist die Suizidrate unter Jugendlichen mit anderen sexuellen Orientierungen und Identitäten signifikant höher als in Vergleichsgruppen, was durch Studien belegt wird.

Der US-Rapper Macklemore sang 2013 in seinem Song „Same Love“ in Bezug auf die Ehe für alle: „A certificate on paper isn't gonna solve it all, but it's a damn good place to start.“ Richtig, die Eheöffnung wird zunächst keine Probleme von LGBT-Menschen (Lesben, Schwule, Bisexuelle, Transgender) lösen, sie ist aber ein konsequenter Schritt auf dem Weg zu mehr Akzeptanz.

Familie kann vieles sein

Eine Familie besteht unserer Ansicht nach nicht zwingend aus einem verheirateten Paar mit leiblichen Kindern. Eine Familie kann auch aus einem nicht verheirateten Paar mit zwei adoptierten Kindern bestehen, oder mit Kindern aus früheren Beziehungen. Etliche andere Familienformen werden von dieser Definition des Weiteren impliziert.

Aufgrund des Adoptionsrechts für gleichgeschlechtliche Paare ist es deshalb auch für zwei Männer durchaus möglich, eine Familie zu gründen. Wir meinen, dass es nicht vom Geschlecht oder der Geschlechtsidentität der Eltern abhängt, wie gut diese ein Kind aufziehen können.

VfGH-Erkenntnis ist richtig

Die Bedeutung der Ehe in der Gesellschaft hat sich in den vergangenen Jahrzehnten grundlegend geändert. Sie entwickelte sich zu einer staatlichen Anerkennung für zwei Menschen, die einen größeren Lebensabschnitt in Treue und gegenseitiger Absicherung miteinander verbringen wollen. Dass auch unfruchtbare Paare oder Frauen jenseits ihrer fruchtbaren Phase heiraten, stellt heute niemand ernsthaft infrage.

Warum sollten dann gleichgeschlechtliche Paare, die ebenfalls diese Anerkennung für ihre Partnerschaft haben möchten, benachteiligt werden? Die Zivilehe sehen wir als großartige Errungenschaft der Aufklärung. Und keine Religion sollte darüber bestimmen können, wer sie eingehen darf und wer nicht.

Leidenfrost schneidet auch die Leihmutterschaft an, die mit gleichgeschlechtlichen Partnerschaften wenig zu tun hat, da sie außerdem auch von heterosexuellen Paaren in Anspruch genommen wird. Aus dem Willen, Kinder zu zeugen, kann im Eherecht noch keine Verpflichtung zur Zeugung von Nachwuchs abgeleitet werden. Sonst müssten kinderlose Ehen nach einigen Jahren von Amts wegen für ungültig erklärt werden. Die kommerzielle Leihmutterschaft ist in Österreich zu Recht verboten.

Wir hoffen, dass die Regierung von der Möglichkeit, die aktuelle diskriminierende Regelung durch eine neue diskriminierende Norm zu ersetzen, keinen Gebrauch machen wird. Wir halten das VfGH-Erkenntnis für grundlegend richtig und gehen davon aus, dass ab 1. Jänner 2019 auch gleichgeschlechtliche Paare das Recht haben, zu heiraten.

Tobias Wagner ist geboren in Freistadt, OÖ und arbeitet als psychiatrischer Krankenpfleger. Michael Fraißler stammt aus Purkersdorf, NÖ und ist Turnusarzt in Wien. Beide leben zusammen in Wien.

E-Mails an:debatte@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.09.2018)

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