Wofür die Hölle alles herhalten muss

In der Unerbittlichkeit der Wiederholung, in der Wiederkehr des Gleichen liegt immer ein höllisches Element.
In der Unerbittlichkeit der Wiederholung, in der Wiederkehr des Gleichen liegt immer ein höllisches Element.(c) Wolfgang Freitag
  • Drucken

Die Familienhölle, die Verkehrshölle, die Beziehungshölle: Als Metapher muss die Hölle bald einmal für etwas herhalten. Aber was genau verbirgt sich hinter dem oft bemühten Begriff?

Die Hölle: Das ist vorab der Ort unserer exzessiven Fantasien und einer stillen, imaginierten Genugtuung, die weder vor modernen Zeiten noch vor sensiblen Zeitgenossen haltmacht. So kann ein Schriftsteller angesichts rasant fortschreitender, aber kaum bemerkter Umweltzerstörung durch Windräder folgende Klage anstimmen: „Noch spärlicher an der Zahl als stille Leser von Gedichten sind diejenigen, die sich vor Schmerz krümmen, wenn sie sehen, wie mitten im Frieden eine vom Dichter besungene Landschaft verheert vor ihnen liegt, so gemein und hochmütig, so um sich greifend und im Unmaß aufragend, Horizonte sperrend, rücksichtsloser als Feuersbrunst, Rodung, Industrialisierung zusammen.“ Aber es gibt doch einen Trost angesichts all dieser ökologischen Barbarei: „Zum Glück zeigt sich die Unterwelt aufgeschlossen gegenüber neuen Sorten ewiger Büßer und stellt frische Marterqualen bereit: jene nämlich, die mit Windkraft moralische und unmoralische Geschäfte machten, Schänder der Landschaftsseele, sieht man jeden einzeln auf ein Rotorblatt gefesselt und bis auf den Jüngsten Tag im Höllensturm sich drehen.“

Die Hölle: Sie geht also durchaus mit der Zeit und antwortet auch auf jene Vergehen, die etwa die Antike und ihre Unterwelt nicht kannten. Man kann sich förmlich vorstellen, wie sich Botho Strauß, der sensible Dichter, ob des Windparks, der seinen Blick auf eine karge, schöne Landschaft verstellt und sein Ohr mit einem grauenhaften Surren beleidigt, an der Vorstellung der an Rotorblätter geketteten Energiepolitiker und Strommanager, deren Schreie die Geräusche der Windräder übertönen, genüsslich weidet. Auch die kalte, technische Welt hat ihre heißen Höllen. So aufgeschlossen für das Neue, für die Verbrechen der technischen Moderne, wie es sich der Dichter denkt, muss die Hölle aber gar nicht sein. Sie hat es nicht nötig, so wie die Energiepolitik frisches Geld für Windräder bereitstellt, frische Höllenqualen für neue Umweltsünder zu ersinnen. Was dem Dichter vielleicht entgangen ist: In der Hölle ist immer schon für alle und alles und für alle Zeiten gesorgt. So gibt es zumindest unter den unzähligen Höllen des Hinduismus eine Abteilung, in der aus einem stählernen Wald rotierende und fallende Schwertblätter auf die Übeltäter fallen und diese schmerzhaft bestrafen – und das erinnert doch schon sehr an die Wunschunterwelt des deutschen Poeten.

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.