Der trügerische Heimvorteil

Schlägt so fit wie noch nie beim Heimturnier auf: Dominic Thiem.
Schlägt so fit wie noch nie beim Heimturnier auf: Dominic Thiem.APA/AFP/MICHAL CIZEK
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2,8 Millionen Euro werden ab Montag in der Wiener Stadthalle ausgespielt, Dominic Thiem steht als Nummer eins bei seinem Heimturnier vor einer Mammutaufgabe. Heute wird ausgelost.

Wien. Günter Bresnik ist längst nicht davon überzeugt, dass sein Schützlings auch heuer und damit zum dritten Mal in Folge bei den ATP Finals in London (ab 11. November) aufschlagen wird. Stand heute wäre Dominic Thiem als Achter im Jahresranking gerade noch qualifiziert, zusätzlich spielt ihm in die Karten, dass der drittplatzierte Juan Martín del Potro seine Saison vorzeitig beenden musste (Kniescheibenbruch). Bresnik ist dennoch gewarnt: „Es können ihn nach wie vor zwei Leute relativ problemlos überholen.“

Um im Kampf um ein London-Ticket Punkte anzuschreiben, muss Thiem bei den am Montag startenden Erste Bank Open in der Wiener Stadthalle das Halbfinale und damit sein bisher bestes Resultat erreichen. So sieht es die Arithmetik vor. Die Konkurrenz beim mit 2.788.570 Euro dotierten Heimturnier, heuer zum vierten Mal in der 500er-Kategorie, ist allerdings stark wie nie. „Es ist eine schöne Sache, dass ich Favorit bin, aber das Turnier ist richtig gut besetzt“, meinte der Topgesetzte nach einer ersten Trainingseinheit auf dem Centre-Court.

Auch die schärfsten Verfolger des Niederösterreichers im Jahresranking werden allesamt in Wien aufschlagen. Nishikori fehlen als Neuntem im „Race to London“ 535 Zähler, dem zehntplatzierten Isner 560. Gewisse Chancen haben auch noch Borna Ćorić (1235 hinter Thiem) und Fabio Fognini (1310). Hinzu kommen Titelverteidiger Lucas Pouille, Jungstar Karen Chatschanow oder Ex-Wien-Sieger Jo-Wilfried Tsonga.

Strakas Wermutstropfen

Während Lokalmatador Thiem also vor einer enormen Herausforderung steht, freut sich Turnierdirektor Herwig Straka über sein bisher stärkstes Teilnehmerfeld. Sogar die Absage von Nick Kyrgios, der sich erneut am Ellbogen verletzt hat, ist verschmerzbar. Einziger Wermutstropfen: Bei der Jagd nach den Superstars Novak Djoković oder Rafael Nadal ist man wieder erfolglos geblieben. Dass weder das aktuelle Topduo der Weltrangliste noch Andy Murray nach Wien kommt, hat Straka trotz intensiver Bemühungen abgehakt. „Heuer waren die Chancen für alle drei sehr gut. Jetzt sind zwei verletzt, einer ist zu erfolgreich“, meinte er im Hinblick auf Shanghai-Sieger Djoković, der die Saison wohl noch als Nummer beenden wird.

Dass dennoch die breite Masse der Top-20-Profis in Wien antritt, sei „ein Zeichen der Wertschätzung der Spieler dem Turnier gegenüber“, erklärte Straka. Allerdings wird es dadurch umso schwieriger für die Stars. „Das Schlimme für jeden gesetzten Spieler, inklusive Dominic: Du kannst in der ersten Runde einen Gegner haben, der vor zwei Wochen Turniersieger war, weil er nicht einmal gesetzt ist.“

Der heutigen Auslosung (zwölf Uhr) wird also dementsprechend besondere Bedeutung zukommen. Gerade im Fall von Thiem, dessen Wien-Bilanz ohnehin ausbaufähig ist. Nur 2013 hat es zum Viertelfinale gereicht, danach schied der 25-Jährige zweimal in Runde eins und zuletzt zweimal in Runde zwei aus. Coach Bresnik will von Problemen mit Heimturnieren oder der hohen Erwartungshaltung an sich selbst aber nichts hören. „Ich kotz mich an, wenn ich das immer höre. Der (Thiem; Anm.) hat kein Problem mit der Erwartungshaltung von anderen Leuten oder von sich selbst. Ein Tennisspieler, der in den ersten zehn steht und ein Turnier spielt, erwartet von sich, das Turnier zu gewinnen. Und Dominic möchte in St. Petersburg nicht weniger gewinnen als in der Stadthalle.“ In St. Petersburg hat Thiem vor knapp vier Wochen sein erstes Hallenturnier gewonnen. In Wien warten nun derselbe Belag und auch dieselben Bälle.

Volles Haus am Nationalfeiertag

In Sachen Zuschauer hofft Turnierdirektor Straka, dass wie im Vorjahr die 60.000er-Marke erreicht wird. Der Freitag (Nationalfeiertag) ist mit 9000 Zuschauern ausverkauft. Was Straka aufgrund der Dichte an Topspielern wehtut: So mancher Profi, den er vor einigen Jahren noch mit Startgeld nach Wien gelotst hat, wird heuer erst gar nicht auf dem Centre-Court, sondern nur in HalleB zu sehen sein. Diese sei „massiv verbessert“ worden und bietet nun fast 2000 Fans Platz. (joe)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.10.2018)

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