Wie baut man „alpin“?

Der Ausverkauf von alpiner Landschaft und Kultur stoppte erst eine Sekunde vor dem Kollaps.
Der Ausverkauf von alpiner Landschaft und Kultur stoppte erst eine Sekunde vor dem Kollaps.(c) Wolfgang Freitag
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Von der Faszination alter Bauernstuben, der Gleichgültigkeit im Umgang mit der Landschaft und einer Gegenwart, in der alles besser werden soll: die Alpen zwischen Massentourismus,Sünden der Vergangenheit und neuem Nachhaltigkeitsbedürfnis.

In den 1970er-Jahren poppte im Tiroler Raum eine schräge Idee auf. Teile alter Bauernhäuser, meist die getäfelten Stuben, wurden abgetragen und in neu erbaute Villen oder Hotels implantiert. Ein Stück bäuerliche Geschichte im Haus galt als stylish. Auch der Vater war einmal in Sachen Bauernstuben unterwegs. Mit einem Transporter fuhr er das Teil aus dem Zillertal über den Brennerpass von Nord- nach Südtirol. Für seinen Freund, den Architekten.

Der Architekt war viel bei uns zu Gast. Er rauchte Pfeife, sprach über Le Corbusier und dessen Proportionssystem, den Modulor. Die Stube baute er dann in sein eigenes Haus in Meran ein. Dieses war ein Bauwerk von charmanter Modernität, die mich damals begeisterte. Eingangs rechterhand lag ein großes Wohnzimmer mit riesiger Glasfront und Blick in einen üppig wuchernden Garten. Stahlrohrmöbel verströmten den Geist neuen Bauens. Linkerhand vom Eingang führte eine Holztür in die Welt bäuerlicher Geschichte, eben in das alte Stübl.

Die seltsame Grille der Bauernstuben fiel nicht zufällig in die Zeit der größten Ignoranz gegenüber traditionellen alpinen Welten. Sie spiegelte eine zerrissene, ausgefranste Identität von bäuerlicher Landschaft und Kultur. Im Bauernstubenphänomen begegneten einander eine an Ironie grenzende Inszenatorik und gleichzeitige Sehnsucht nach echter regionaler Identität.

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