Digitalisierung: Wie Europa aufholen kann

Am Samstag erfolgte der Spatenstich für die 1,6-Milliarden-Investition von Infineon in Villach (hier ein Werk in Regensburg).
Am Samstag erfolgte der Spatenstich für die 1,6-Milliarden-Investition von Infineon in Villach (hier ein Werk in Regensburg). (c) REUTERS (Michael Dalder)
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Es gibt positive Signale wie die Infineon-Investition und Patente für autonomes Fahren. Die Batterieabhängigkeit macht Sorgen.

Wien. Es ist die größte private Investition, die in den letzten Jahrzehnten in Österreich getätigt wurde: Am Samstag erfolgte in Villach der Spatenstich zur voll automatisierten Chipfabrik von Infineon. 1,6 Mrd. Euro nimmt der Münchner Halbleiterkonzern für die Produktionserweiterung und ein neues Entwicklungszentrum in den kommenden Jahren in die Hand. 750 hoch qualifizierte Arbeitsplätze sollen entstehen. Kein Wunder, dass die Politprominenz aufmarschierte, von Kanzler Kurz abwärts. Aber auch EU-Wirtschaftskommissarin Marija Gabriel reiste aus Brüssel an. Denn solche Projekte sind nicht nur hoch erfreulich für den Standort Kärnten, der mit Industrie traditionell nicht gerade gesegnet ist, sondern auch wichtig für die Rolle, die Europa bei neuen Technologien spielt. „Wer Technologie entwickeln und produzieren kann“, mahnte Infineon-Österreich-Chefin Sabine Herlitschka, „der bestimmt mit – wer das nicht macht, der wird bestimmt.“ Wo aber steht Europa im Rennen um die Digitalisierung?


Vielleicht weiter vorn, als viele angesichts der Dominanz der Tech-Konzerne aus den USA vermuten. Das legen am Sonntag veröffentlichte Daten des Europäischen Patentamts (EPA) nahe. Beim selbstfahrenden Auto, einem der Schlüsselprojekte für die Mobilität von morgen, liegen die Europäer mit 37 Prozent der weltweiten Patentanträge weit vor den Amerikanern (mit 14 Prozent). Dahinter folgen die Erfinder aus Japan (13 Prozent), Korea (sieben Prozent) und China (drei Prozent).
Beim autonomen Fahren scheinen sich die europäischen Autobauer also die Devise der Infineon-Chefin zu eigen gemacht zu haben. Nicht so bei den Batteriezellen, der zentralen Komponente des Elektroantriebs, der schon bald den Verbrennungsmotor ablösen soll. Hier scheuen auch die deutschen Konzerne die Milliardenrisken einer eigenen Massenproduktion – und beziehen ihre Batterien lieber weiter von Herstellern aus Fernost, vor allem aus Südkorea und China. Auch der weltgrößte Autozulieferer Bosch winkt ab.

Berlin forciert Batteriezellen

Diese Passivität beunruhigt nicht nur die EU-Kommission, die auf eine „Europäische Batterienallianz“ drängt. Auch die deutsche Regierung trommelt schon länger für Batteriezellen „made in Germany“. Das geplante Firmenkonsortium, das Berlin mit mindestens einer Milliarde an Steuergeldern unterstützen will, soll in dieser Woche Gestalt annehmen. Wirtschaftsminister Peter Altmaier dürfte am Dienstag auf einer Elektronikmesse Details verkünden. Bereits mit ihm Boot sollen der Batteriehersteller Varta und der Chemieriese BASF sein, sagen von Reuters befragte Insider. Freilich: Ohne die Mittel von BMW, Daimler und Volkswagen, die sich zieren, sind die gewaltigen Investitionen für Batteriefabriken kaum zu stemmen. 15 Mrd. Euro bräuchte es nach Schätzungen des Fraunhofer-Instituts, um den europäischen Bedarf zu decken, schätzt das Fraunhofer-Institut. Aber die Prognosen gehen weit auseinander. Treten die euphorischen Erwartungen an die Elektromobilität nicht oder weniger schnell ein, drohen Überkapazitäten und Preisverfall bei den Batteriezellen. Genau davor fürchten sich die Autokonzerne. Denn eine solche Situation könnten die etablierten Produzenten viel leichter überstehen als neue Anbieter. Womit das Rennen schon gelaufen wäre – um den Preis, dass Asien bei dieser Technologie „bestimmt“ und Europa „bestimmt wird“.


Was das E-Auto als Ganzes betrifft, geht nun VW in die Offensive. Der Aufsichtsrat der von der Dieselaffäre gebeutelten Nummer eins soll diesen Freitag grünes Licht dafür geben, drei bestehende Werke ganz auf Elektromobilität umzustellen – zwei mehr als bisher geplant. Es geht um die Standorte Emden, Hannover und Zwickau.
Schon in den letzten Jahren hat sich die Zahl elektronischer Bauteile in vielen Branchen stark erhöht. So stark, dass heuer erstmals auch Allerweltskomponenten wie Kondensatoren und Widerstände knapp geworden sind. In einem Premiumauto etwa sind bis zu 10.000 Halbleiter eingebaut, Tendenz steigend. Das Villacher Infineon-Werk sollte sich also um zu wenig Nachfrage nicht sorgen müssen. (ag./gau)

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