Schlaflose Nächte . . .

Geflügelte Worte haben die merkwürdige Eigenschaft, sich zu verselbstständigen, keiner weiß letztlich, woher sie kamen.

Sie zählen zum österreichischen Kanon, man kann sie als Kritik verwenden, ebenso als höchst Lobenswertes. Erst vor Kurzem war's wieder – im Nationalrat – da wurde der alte Kreisky mit seinem uralten „Hadern“ zitiert: „. . . Und wenn mich einer fragt, wie denn das mit den Schulden ist, dann sag' ich ihm das, was ich immer wieder sage: Und zwar, dass mir ein paar Milliarden mehr Schulden weniger schlaflose Nächte bereiten, als ein paar Hunderttausend Arbeitslose mir bereiten würden.“

Na gut. Altbekannt. Aber wann und wo und wie hat er das gesagt? Kollege Gerhard Jelinek hat diese Passage für sein Buch „Reden, die die Welt veränderten“ aufgenommen. Warum? Dieser Satz hat doch die Welt zweifellos in keiner Weise verändert. Der kluge Journalist hat trotzdem mit Spürsinn das Richtige getan. Denn lange Zeit war diese Politik des Staatsinterventionismus große Mode – Angela Merkel ist die letzte Vertreterin, auch sie schon längst angezählt. Oft hat Kreisky diesen Gedanken zwar verwendet, im Archiv des ORF hat Jelinek den Satz aber nur ein einziges Mal (!) gefunden, und zwar im Mai 1979 bei einem eher unspektakulären Wahlkampfauftritt in Rudolfsheim-Fünfhaus. (hws)

Reaktionen an: hans-werner.scheidl@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.12.2018)

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