Lachen, weinen, fluchen

Mutiges Anschreiben gegen die eigene Familie: „Die Sintflut in Sachsen“ – Bernd Wagnersgroßer Roman über eine untergegangene farbige Kleinstadtwelt, bevölkert von Kriegerwitwen, Skatspielern und Sowjetsoldaten.

Eigentlich war zu erwarten, dass nach Guntram Vespers gewaltigem Opus „Frohburg“ Jahrzehnte vergehen würden, bis wieder eine sächsische Kleinstadt zum Zug käme, um Stoff und Schauplatz für ein Meisterwerk abzugeben. Aber nur zwei Jahre nach Vespers Wurf, ist Wurzen (eine halbe Fahrstunde von Leipzig entfernt) mit Bernd Wagners Roman „Die Sintflut in Sachsen“ in die Weltliteratur eingetreten, und es lässt sich schwer sagen, was dem Autor höher anzurechnen ist – sein Erinnerungsvermögen, seine Fabulierfreude oder die Art und Weise, wie er den freimütigen Schilderungen seines Ich-Erzählers, der sich offenbar nur in Kleinigkeiten wie dem Vornamen Max von ihm unterscheidet, literarische Gestalt gibt.

Das Feuerwerk an Witz und Kurzweil, das er dabei entzündet, brennt mindestens so lange, wie Max seine Mutter am Leben erhält, die nach einem Schlaganfall ins Krankenhaus eingeliefert worden ist. Zu Beginn des Romans, als er von ihrem Unglück erfährt, kehrt Max in das Elternhaus (ein bescheidenes, mit niedrigen Kammern und Teerpappe auf dem Dach) zurück, schreibt darin nächtens die Familiengeschichte auf und liest sie anderntags, Stück für Stück, der bettlägrigen „Muttsch“ vor, die sich selten einen Kommentar verkneift. So verschränken sich erzählte und Erzählzeit, kommen einander immer näher und verschmelzen im großen Hochwasser von 2002 schließlich miteinander.

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