Klopapier statt Grenzzäune

Expedition Europa in Ungarn: was man im Gefängnis von Márianosztra produziert.

Am Donauknie liegt mehr Schnee als in der Ebene, auch gegen Mittag sind die Bäume noch weißgefroren. In ein paar Tagen ist Weihnachten, und ich suche das Gefängnis, in dem während der Flüchtlingskrise der berühmte ungarische Grenzzaun hergestellt wurde. Ungarische Medien brachten hochglänzende Fotostrecken mit Bildern aufgerollten Stacheldrahts, Viktor Orbán pries das Produkt für den Export in andere europäische Länder an. Mein Antrag, mit diesen Häftlingen zu sprechen, wurde damals abgewiesen. Dennoch will ich nach Márianosztra. Der Dorfname ist lateinischen Ursprungs: „Unsere Maria“. Es ist ein alter Marienwallfahrtsort.

Die letzten Kilometer geht es mit dem Bus über Serpentinen hinauf. Nosztra ist ein mäßig hübsches Dorf in Hanglage und hat etwa so viele Einwohner wie der Knast. Man ist hier seit je gewohnt, dass die Häftlinge Waren herstellen: Besen, Papier, Fußbälle. Aber Grenzzäune? Auf der Dorfstraße sagt ein rotgesichtiger Alter: „Die Grenzen gehören geschützt, wir brauchen keine Migranten.“ Gefängnis und Kirche reimt sich bei ihm, „fegyház“ und „egyház“: „In Nosztra ist beides zusammen, und beides ist ein Dreck.“ Die vorbeieilenden Gefängniswärter, die ich höflich grüße, grüßen nicht zurück. Ich trete durch einen Torbogen auf einen Vorplatz – tatsächlich sind der Knast und die Kirche zusammen. Seitlich rechts wohnen die drei Paulinermönche, welche von den 600 Häftlingen die 40 gläubigen betreuen. Seitlich links ist das Museum.

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