Mit Federn, Haut Und Haar: Schatten der Vergangenheit

Ein neues Jahr provoziert fromme Wünsche. Also: Für Öster reich wünsche ich mir Zukunftsorientierung und Selbstvertrauen für alle. Zugegeben, weder besonders originell noch konkret. Daher bin ich Rudolf Taschner dankbar, dass er unlängst meinen Nebensatz zur österreichischen Realverfassung aufgriff, weil ich daran festmachen kann, wovon ich mir in Zukunft weniger wünsche. Meine These war, dass der traditionelle religiöse (eigentlich katholische) Konservativismus immer noch die Entwicklung im Lande hemmt. Mitnichten, meint Taschner, schließlich seien Deix und Scharang leuchtende Beispiele für das liberale Klima im Lande. Lieb, nicht?

Bei allem Respekt, Herr Kollege: Dass ein katholisch fundierter Konservativismus mit Wurzeln in der Gegenreformation, gepaart mit Metternichschen Resten immer noch unsere (Real-)Verfassung bestimmt, mögen ein paar Beispiele zeigen: Leben wir nicht immer noch im Konkordat, verlangten heimische Politiker nicht tatsächlich, Gott und christliche Werte in der Verfassung festzuschreiben? Ist es wirklich bedeutungslos, dass höchste Vertreter der Kirche gerade versuchen, den Biologen mitzuteilen, wie Evolution funktioniert?

Trifft es denn nicht zu, dass die Naturwissenschaften eher in europäischen Gesellschaften mit reformistischem Hintergrund (Niederlande, England etc.) blühen, weniger im dogmatischen Klima der katholischen Stammlande? Hat man nicht in jahrzehntelangem Einklang der Parteien wider alle Lippenbekenntnisse die Hochschulen im Lande ausgehungert (Budgeterhöhungen gingen vor allem in die Verwaltung)? Sind diese Unis nicht mehr denn je hierarchisch statt leistungsorientiert strukturiert? Will mir Herr Taschner im Ernst einreden, der religiöse Konservativismus habe damit sowie mit der heimischen Obrigkeitshörigkeit und Geistfeindlichkeit nichts zu tun (ich empfehle einen Blick in die "Kronen Zeitung")?

Wird nicht dank mächtiger Gewerkschaften und konflikt- unwilliger Entscheidungsträger die Personalpolitik an den Unis mit Sozialpolitik verwechselt? Müssen die exzellenten heimischen Nachwuchswissenschaftler nicht immer noch auswandern, weil Österreich immer noch ein akademisches Schwellenland ist? Zu wenig und zu teure Kinderbetreuung, kein zeitgemäßes Familiengesetz in Sicht und so weiter und sofort. Alles nur Klischee, geistiger Angstschweiß eines (laut Taschner) sensiblen Biologen?

Natürlich hat der historische Konservativismus auch seine gemütlichen Seiten, produziert immunisierende Präpotenz gegen unbequeme Neuerungen (siehe Schulreformmisere), erlaubt schlampiges Denken und Handeln; denn verantwortlich sind wir ja nie ganz selber, dafür gibt es Gott, die Regierung, die Behörden, die Kirche, die Schulen, die EU etc. (also eine Instanz, die daran schuld ist, dass wir nicht so können, wie wir eigentlich möchten). Schlawinertum genießt Ansehen, und am Ende kommt immer die Absolution. Herr Taschner, auch intellektuelles Nebelwerfen und Schönreden sind Teil dieser österreichischen Realverfassung! Mal sehen, wie es weitergeht, im neuen Jahr.

Kurt Kotrschal ist Zoologe an der Uni Wien und Leiter der Konrad-Lorenz-Forschungsstelle in Grünau.

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