Mit Federn, Haut Und Haar: Gott oder Darwin? Kein Problem!

Gilt Gottes Wort oder die Lehre Darwins?", fragte der "Standard' zur Weihnacht. Wieso oder? Gäbe es eine Kür zum "Missverständnis des Jahres", das Wörtchen "oder" hätte die besten Gewinnchancen. Dieses Wörtchen bildet den Kern der Causa Schönborn 2006. Denn es begab sich, dass der Herr Kardinal in trauter Eintracht mit seinem Chef in Rom einen unprovozierten Konflikt mit den Naturwissenschaften vom Zaun brach, mit seinem Kommentar in der "New York Times". Grundtenor: Ein bisserl Kreationismus ("Intelligent Design") wird wohl erlaubt sein. Der Papst legte im September in Regensburg nach: "Manche Wissenschaftler arbeiten mit Eifer daran, Gott überflüssig zu machen." Konstruktion einer Strohpuppe, die man dann trefflich bekämpfen kann?

Der vernünftige Mensch müsse in der uns umgebenden Schöpfung einen Beweis für das Wirken Gottes sehen, so unsere geistigen Kreuzritter. Als hätte es keine Philosophen, Biologen und Theologen seit Thomas von Aquin gegeben. Gerade der Vernunftbegriff hat in der Aufklärung seine Unschuld verloren. Denn wissenschaftlich bedeutet er die Verpflichtung zur Kohärenz mit den mittels strenger Methodik erarbeiteten Grundthesen. Jeder redliche Wissenschaftler hält die Ebenen der Physik und der Metaphysik sauber getrennt. Die materielle Welt ist empirisch fassbar, Gott dagegen bleibt eine Sache des Glaubens, auf ewig dem Zugriff der Wissenschaften entzogen. Keine Vernunft erschließt Gott - und kein Gott, der diesen Namen verdient, unterwirft sich je der menschlichen Vernunft. Dialog mit den Naturwissenschaften? Mitnichten! Schönborn & Co. predigen. Schlimmer noch: Als Vertreter einer Schöpfergott-Religion muten sie den Biologen ideologische Eingrenzung fachlicher Inhalte zu.

Wenn ein kluger Kardinal und ein weiser Papst die geistige Todsünde der Vermischung inkompatibler Ebenen begehen, dann ist ihnen das nicht einfach "passiert". Schade eigentlich, denn die Kirche zog letztlich immer den Kürzeren, wenn sie glaubte, den Naturwissenschaften inhaltliche Vorgaben machen zu müssen. Geht es um Seelenfang in einer zunehmend fundamentalistischen Welt? "Der Glaube ist einfach", sagte der Papst. Stimmt, auf Glauben beruhende Weltbilder benötigen wenig Bildungsaufwand, vermitteln Geborgenheit, ganz im Gegensatz zu aufgeklärten Weltbildern. Mag die Welt verblödet, aber glücklich untergehen!

Das europäische Christentum war Ursprung und Salz der Aufklärung. Sollte sich daher nicht wenigstens die Kirche der seuchenhaft grassierenden postmodernen Beliebigkeit entziehen? Ein Minimalkonsens zwischen Wissenschaft und Glauben könnte in der Gewissheit liegen, dass jenseits der geistigen und menschlichen Redlichkeit Populismus und Propaganda lauern. Warum also Wissenschaftler verächtlich machen, die den eigenen universitären Theologen desavouieren, und ihren Gott gleich mit, indem man uns beständig ausrichtet, es sei eine Sache der "Vernunft", Ihn in der Evolution zu erkennen? Gott oder Darwin? Schmonzes! Die beiden hatten noch nie ein Problem miteinander, das wurde immer nur von Menschen konstruiert, denen das gerade in den Kram passte.

Kurt Kotrschal ist Zoologe an der Uni Wien und Leiter der Konrad-Lorenz-Forschungsstelle in Grünau.

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