Für HeiFi liegt die Latte enorm hoch

Fuer HiFi liegt Latte
Fuer HiFi liegt Latte(c) APA (Robert Jäger)
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Kampf um die Hofburg. Seit 1945 gab es elf Wahlen eines Bundespräsidenten – mit teils verblüffenden Ergebnissen. Rudolf Kirchschläger erreichte beim zweiten Antreten 1980 achtzig Prozent Zustimmung.

Knappe Siege, Triumphe, Enttäuschungen: Die Wahlkämpfe um die Hofburg waren seit 1945 absolut nicht so unspannend, wie das Amt selbst angelegt ist. Da gab es durchaus auch Überraschungen, Blamagen der Meinungsforscher, bisweilen auch schwerwiegende parteipolitische Konsequenzen. Wie machtlos immer die Männer in der Hofburg auch waren – die Position ist für die politischen Parteien eine höchst reputierliche und erstrebenswerte.

Renner, Körner, Schärf, Jonas, Fischer: Fünf Sozialisten haben bisher das Amt ausgefüllt (allesamt haben sie noch am Tag der Angelobung ihre Mitgliedschaft ruhend gestellt), zwei ÖVPler – Waldheim und Klestil; ein „Nullgruppler“ (Kirchschläger), wenngleich der bei seiner ersten Kandidatur vom Apparat der SPÖ unterstützt wurde. Dass die Österreicher einen über den Dingen stehenden „Staatsnotar“ durchaus goutieren, zeigt das Traumwahlergebnis für Rudolf Kirchschläger beim zweiten Antreten 1980: achtzig Prozent Zustimmung. Das hat vor ihm keiner auch nur annähernd erreicht. Für Heinz Fischer (HeiFi) liegt die Latte enorm hoch. Sie ist aber mit Mühe zu schaffen.

1945, da war die Sache noch einfach. Um das kriegsbedingte Chaos rasch zu ordnen und die Staatsspitze ohne viel Federlesens zu installieren, wählte die Bundesversammlung den Bundespräsidenten. Für die National- und Bundesräte des soeben konstituierten Parlaments bestand kein Zweifel, dass der 75-jährige Karl Renner, der zweifache „Vater der Republik“ (1918 und 1945) dem Gemeinwesen den nötigen Zusammenhalt geben werde. So war es auch, wenngleich der Patriarch bald erkennen musste, dass ihn die agierenden Parteipolitiker ab sofort zwar respektierten, aber recht eigenständig regierten.

Humorvoller Körner

Schon damals war klar, dass das nächste Staatsoberhaupt durch Volksentscheid gekürt werden sollte. 1951 schickten die Großparteien daher ihre besten Pferde in die Manege. Die Volkspartei den legendären oberösterreichischen Landeshauptmann Heinrich Gleißner, die SPÖ den Wiener Bürgermeister Theodor Körner. Zur großen Überraschung der Auguren siegte Körner (im zweiten Wahlgang), was dem alten k.u.k.-Generalstäbler gar nicht recht war. Er hatte sich nur breitschlagen lassen, weil man ihn als „Zählkandidaten“ benötigte. Der 78-jährige Junggeselle war zweifellos der humorvollste und unprätentiöseste Präsident. Über die Hofschranzen lächelte er ebenso wie über die Ehrerbietung der Parteifunktionäre. Wenn „großer Bahnhof“ bei Provinzbesuchen angesagt war, stieg er gerne aus dem hintersten Zugwaggon, um den roten Teppich zu vermeiden.

Nicht alle waren mit seiner Ironie glücklich. Adolf Schärf gewiss nicht. Der Jurist, Vizekanzler und SPÖ-Chef war ein ernster Mann, der die Würde des Amtes zu wahren wusste. Er hatte 1957 in eher aussichtsloser Position gegen den Mediziner Wolfgang Denk kandidiert. Der weltberühmte Krebsforscher war schließlich von ÖVP und FPÖ gemeinsam aufgestellt worden – eine klare Sache für das bürgerliche Lager! Sollte man meinen: Die freiheitlichen Wähler ließen sich nicht vereinnahmen, Schärf gewann mit 51,1 Prozent. Nicht gerade überwältigend, aber ausreichend.

Strenger, spröder Schärf

1963, bei der Wiederwahl, konnte Schärf übrigens seinen Amtsbonus nur unwesentlich nützen. Als Herausforderer stellte ihm die ÖVP den legendären „Staatsvertragskanzler“ Julius Raab entgegen. Doch der war bereits sichtlich krank, so ging der amtierende Bundespräsident Schärf mit 55,4 Prozent über die Ziellinie.

1965 schaffte es dann der 65-jährige Wiener SP-Bürgermeister Franz Jonas nur ganz knapp. 50,7 Prozent – das bisher engste Ergebnis. Sein „Rivale“: Alfons Gorbach, Bundeskanzler a.D. und – so wie sein Kollege Jonas – letzter Vertreter der Weltkrieg-1-Generation. Für den sozialistischen Parteiapparat war der hauchdünne Jonas-Sieg trotzdem ein Strohhalm, an den man sich klammern konnte, denn die SPÖ befand sich in schweren Turbulenzen („Olah-Krise“).

Auch bei seiner Wiederkandidatur 1971 vermochte sich Jonas nicht wesentlich zu steigern. Der ernste, strenge, korrekte und pflichtbewusste Präsident brachte 52,8 Prozent heim; sein Herausforderer Kurt Waldheim 47,2 Prozent. Immerhin war der Mann zuvor Botschafter bei den UN und bis 1970 österreichischer Außenminister gewesen.

Kreisky wollte nicht

1974 besaß die SPÖ einen logischen Kandidaten – nach der Papierform. Aber Bruno Kreisky, der auf dem Höhepunkt seiner Karriere stand, verweigerte sich dem Drängen (vieler) Genossen. Er wollte Kanzler bleiben– und zog in einer einsamen Entscheidung seinen parteiunabhängigen Außenminister Rudolf Kirchschläger aus dem Hut. Die SPÖ war mehr als skeptisch. Auch der einstige Richter und spätere Diplomat Kirchschläger fühlte sich in dieser Umgebung nicht restlos wohl. Ich erinnere mich an seinen Auftritt am 1.Mai auf dem Wiener Rathausplatz.

„Lugger-Lois“ aus Tirol

Doch auch die ÖVP schlug eine überraschende Volte: Statt dem schon als fix geltenden Kandidaten Hermann Withalm (Ex-Staatssekretär, Ex-Generalsekretär, Ex-Parteiobmann) nominierte sie unter Druck aus Tirol den Innsbrucker Bürgermeister Alois Lugger. Kirchschläger siegte mit 51,7 Prozent, Kreisky fühlte sich bestätigt, die ÖVP leckte ihre Wunden.

Auch 1980 noch. Die Herrschaft Kreiskys hielt immer noch an, die Volkspartei verzichtete auf einen Gegenkandidaten zum amtierenden Bundespräsidenten. Die Lage war heikel: Sollte der von allen Seiten anerkannte Rudolf Kirchschläger nur gegen den früheren Südtirol-Aktivisten Norbert Burger antreten, der inzwischen zur Nationaldemokratischen Partei abgedriftet war? So opferte sich der Diplomat Willfried Gredler als Mitbewerber. Der FPÖ-Notnagel betrieb eine recht nerven- wie kräfteschonende Kampagne. Das Ergebnis war klar: 79,9 Prozent für Kirchschläger, 17 für Gredler.

1986 probierte es die Volkspartei neuerlich mit Kurt Waldheim, der inzwischen ein allseits hoch geschätzter UN-Generalsekretär war. Die Kampagne gegen ihn und das Ergebnis sind bekannt: 53,9 Prozent konnte Waldheim im zweiten Wahlgang verbuchen, 43,7 Prozent entfielen auf den SP-Bewerber Kurt Steyrer. Der als SPÖ-Chef verantwortliche Bundeskanzler Fred Sinowatz trat anderntags zurück. So wurde elegant das Tor für Franz Vranitzky als Kanzler eröffnet.

Klestil begehrte auf

Das in- und ausländische Kesseltreiben gegen Waldheim wegen dessen Erinnerungslücken in seiner Biografie hielt die vollen sechs Jahre der Amtszeit an. Auf eine neuerliche Kandidatur verzichtete er daher – und der Weg war frei für den mindestens so ehrgeizigen Diplomaten Thomas Klestil (V). Er verwies (im zweiten Durchgang) den SP-Bewerber Rudolf Streicher mit 56,9% zu 43,1% auf den zweiten Platz. Zwölf turbulente Klestil-Jahre nahmen ihren Anfang. Und aus dem zunächst ungestümen Möchtegernreformer wurde ein grollender Ohnmächtiger, dessen Amtszeit zwei Tage vor dem Auslaufen durch Multiorganversagen endete.

Da war aber der Nachfolger Heinz Fischer– mit 52,4% hatte er sich gegen die VP-Außenministerin Benita Ferrero-Waldner durchgesetzt – schon gewählt. Sein Amtsantritt vollzog sich daher im Rahmen einer Trauersitzung der Bundesversammlung für den verstorbenen Klestil. Diesmal, bei der zweiten Angelobung, wird die Szenerie wesentlich fröhlicher sein. Zumindest bei der SPÖ. Über die VP-Reaktion darf man sich nicht so sicher sein.

WER SEIT 1945 NICHT IN DIE STICHWAHL GELANGTE:

Bewerberrekord 1951. Damals schickte der „Verband der Unabhängigen“ (später FPÖ) den Arzt Burghard Breitner, den „Engel von Sibirien“, ins Rennen. Der Arzt half im Ersten Weltkrieg den österreichischen Kriegsgefangenen in Russland. Mit 15,4% blieb er immerhin weit vor dem KPÖ-Bewerber Gottlieb Fiala (5,1%). Die beiden Parteiunabhängigen Johannes Ude (Priester, Schriftsteller) und Ludovica Hainisch-Marchet (Reformpädagogin und Frauenrechtlerin) erhielten je 0,1%.

Pensionist. 1963 nominiert die kleine „Europäische Föderalistische Partei“ Otto Moldens den hochdekorierten, aber schon pensionierten Gendarmeriegeneral Josef Kimmel. Er kam auf 4,0%.

Südtirol-Aktivist. 1980 kandidierte der Bundessprecher der „Nationaldemokratischen Partei“ (NDP), Norbert Burger als Außenseiter – 3,1%.

Grün & national. 1986 bewarben sich die grüne Parteigründerin Freda Meissner-Blau (5,5%) und Otto Scrinzi, ehemals Vizeparteiobmann der FPÖ, für die „Nationalfreiheitliche Aktion“ – 1,2%.

Blassblau und grün. 1992 kandidierten Jörg Haiders Generalsekretärin Heide Schmidt für die FPÖ (16,4%) und der grüne Zukunftsforscher Robert Jungk (5,7%).

Nochmals Schmidt. 1998 versuchten es die evangelische Kirchenfunktionärin Gertraud Knoll (13,6%), neuerlich Heide Schmidt, aber jetzt für die Liberalen (11,1%), der Bau-Tycoon Richard Lugner für die Ein-Mann-Partei „Die Unabhängigen“ (9,9%) und Karl Walter Nowak (Die Neutralen) – 1,9%.

Und 2010? Ob sich Barbara Rosenkranz (F) und Rudolf Gehring von der Christen-Partei am Sonntag in einer Woche in diese Tabelle einreihen? Man darf davon ausgehen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.04.2010)

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