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Nachrichten Meinung Magazin
PK anl Buchpraesentation Haltung Flagge zeigen in Leben und Politik von ehem OeVP Chef und Vizekan
Innenpolitik

''So laufen halt Intrigen'': Auszüge aus dem Buch von Reinhold Mitterlehner

Der frühere ÖVP-Chef und Vizekanzler Reinhold Mitterlehner hat zwei Jahre nach seinem Rücktritt das Buch "Haltung" präsentiert. Er übt darin harte Kritik an seiner Partei und Sebastian Kurz.
17.04.2019 um 13:24
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Hauptbild • PK anl Buchpraesentation Haltung Flagge zeigen in Leben und Politik von ehem OeVP Chef und Vizekan • imago / Viennareport

„Wir haben offensichtlich ein Problem mit der Meinungsvielfalt und der Diskussionskultur. Wer traut sich, etwas Kritisches zu sagen zu sagen? Es sind immer weniger.  (…) All das sind Entwicklungen in unserer Demokratie, die uns aufrütteln sollten, eben nicht zu schweigen, auch wenn es bequemer erscheint. Demokratie heißt nicht zentrale Führung, Demokratie lebt von freier Meinung, Partizipation und der Vielfalt in unserer Gesellschaft."

(Aus dem Prolog)

„Es wird viel vom freien Mandat gesprochen, tatsächlich ist jedoch der Klubzwang sehr stark. Kaum einer getraut sich, in der Klubsitzung aufzuzeigen und auszusprechen, dass er etwa bei diesem oder jenem Beschluss nicht mitgehen würde. Im ÖVP-Klub hat sich ein fein gesponnenes, bewährtes Meinungsdämpfungssystem entwickelt. Die Klubarbeit ist in drei Arbeitsgemeinschaften (Bauern, Arbeitnehmer und Selbstständige) organisiert, dort können Kritiker Dampf ablassen, bevor eine Materie überhaupt in den Klub komm.“

(Kapitel: Das Wiener Parkett)

„Die große Fluchtbewegung, die Österreichs Grenzen im Spätsommer 2015 erreichte, wird heute rückblickend als ‚Flüchtlingskrise‘ bezeichnet. Aber nicht die Flüchtlinge waren die Krise, sondern der Umgang der Politik mit ihnen löste eine Krise aus, weil die europäischen Regierungen dabei phasenweise versagten.“

(Kapitel: Flüchtlingskrise)

„Mit der Zeit wurde immer spürbarer, dass Spindelegger (der damalige ÖVP-Chef Michael, Anm.) im Laufe der Alltagsarbeit seinen Elan verlor. Vor allem über die Sommermonate des Jahres 2014 grundelte die Partei in Umfragen bei unter zwanzig Prozent, und die Funktionäre grummelten vor sich hin. (…) Sebastian Kurz war beim Jour fixe nicht anwesend gewesen. Gerüchteweise wurde später kolportiert, Spindelegger hätte ihm vorher schon angeboten, seine Funktion zu übernehmen, er hätte jedoch abgelehnt. Jedenfalls rief er mich auf dem Weg vom Jour fixe zum Ministerrat an. Er sagte mir, er sichere mir seine volle Unterstützung zu, er selbst hätte überhaupt kein Interesse an der Funktion und ich solle das machen.“

(Kapitel: Machtübernahme)

„Kurz galt damals schon als die Zukunftshoffnung der ÖVP, und ich war nun der designierte neue Parteiobmann. Ich wollte eine gute Arbeitsaufteilung (…). Ich sagte Kurz also, dass ich vorhatte, meine neue Aufgabe bis zum Jahr 2018 mit vollem Elan auszufüllen und wir dann 2018 beurteilen würden, wer von uns beiden besser positioniert sei, wenn es um die Rolle des Spitzenkandidaten ging. Kurz ging jedoch gar nicht auf diese Frage ein und wollte das Thema komplett offenlassen.“

(Kapitel: Machtübernahme)

„Kurz zuvor, im April 2015, bat mich Sebastian Kurz, ihn als neuen Präsidenten der Politischen Akademie zu bestellen, damit er dort die Zukunftsfragen inhaltlich managen könne. (…) Ich hatte kein Problem damit, dass er sich damit für die Zukunft inhaltlich positionieren wollte, weil ich davon ausging, dass er alle Zukunftsthemen mit mir abstimmen wurde.“

(Kapitel: Machtübernahme)

„Ich bestellte ihn (Kurz, Anm.) für den nächsten Tag zu mir. Offensichtlich beseelt vom Ziel, nicht zuzulassen, dass Kern sich etablierte (als neuer SPÖ-Chef im Mai 2016, Anm.), war er erstaunlich offen. Er stritt die Meinungsumfrage gar nicht ab. Auch nicht, dass er im Vorfeld Gespräche mit einigen Landeshauptleuten geführt hatte. Er sagte, er sei darum gebeten worden. Von wem genau, sagte er jedoch nicht. ‚Es gibt Leute…‘ Im Endeffekt bestätigte er klar, dass es sein Ziel sei, die Koalition zu sprengen. Die Rolle des Sprengmeisters sollte ich übernehmen, weil ich eine gewisse Glaubwürdigkeit hätte. Es könne jetzt nicht so weitergehen und es bräuchte eine Neuformierung der Kräfte.“

(Kapitel: Machtübernahme)

„Kurz hatte das Grand Design im Mai 2016 schon im Kopf, dass er dann im Jahr 2017 auch umsetzte. Ich sollte für ihn die Koalition aufkündigen und den Schwarzen Peter nehmen, damit er unbefleckt in Neuwahlen gehen könne. Ich fragte ihn natürlich, wo er meine Rolle in der Zukunft sähe. Das hätte er sich noch nicht überlegt, wich er aus. Ich könne es mir dann aussuchen, Parlamentspräsident oder etwas Ähnliches.“

(Kapitel: Machtübernahme)

„…ich sollte als Vizekanzler und als Parteiobmann offensichtlich mürbe gemacht werden, so erschien in der Kronen Zeitung am 21. August 2016 auf Seite zwei ein Artikel, in dem stand, der Parteiobmann – also ich – sei demnächst Geschichte. (…) So laufen halt Intrigen.“

(Kapitel: Machtübernahme)

„Ab Mitte Mai 2016, also kurz nach dem Parteivorstand in Salzburg, bei dem beschlossen worden war, die Koalition fortzuführen, begannen Kurz und sein engster Vertrauter Stefan Steiner mit der ehemaligen Präsidentschaftskandidatin Irmgard Griss und Matthias Strolz von den Neos über eine gemeinsame Wahlbewegung für vorzeitige Neuwahlen zu verhandeln. (…) Das Projekt GSK (Griss/Strolz/Kurz) platzte. (…) Gleichzeitig gab es meines Wissens während dieser Phase auch Gespräche mit FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache, zumindest über Kooperationsmöglichkeiten.“

(Kapitel: Machtübernahme)

„Die Eskalationsspriale wurde weitergedreht, als hätte es den Relaunch des Regierungsprogramms nie gegeben. Kern und ich sollten einfach keine Erfolge mehr haben. (…)Die Rolle des Zerstörers und Kern-Kritikers übernahm dann (Wolfgang, Anm.) Sobotka, der regelmäßig den Bundeskanzler medial kritisierte. Dabei packte er durchaus den verbalen Dreschflegel aus.“

(Kapitel: Machtübernahme)

„Faktisch gab es in dieser Phase zwei ÖVP-Chefs, mich, den offiziellen, und einen inoffiziellen, gewissermaßen heimlichen, nämlich Sebastian Kurz. Er baute eine Art Parallelimperium auf mit wöchentlichen Parallelbesprechungen, meistens sonntags.“

(Kapitel: Machtübernahme)

„Die alte klassische Partei ÖVP ist ohne Veränderung in der alten Form stehen geblieben, und die neue türkise Bewegung ist zugeschaltet, nach außen wahrnehmbar als die Neue Volkspartei. Geändert hat sich die Form der Meinungsbildung. Nunmehr gibt es sie so gut wie nie bottom up, sondern nur top down, also nicht von unten nach oben, sondern von oben nach unten. Eine kleine Gruppe gibt offensichtlich die Message, aber auch die Entscheidungen vor.

(Kapitel: Medien und Politik)

„Sebastian Kurz hat in jedem Fall die Rechten salonfähig gemacht.“

(Kapitel: Epilog)

„Die meisten Probleme hat und schafft der Innenminister der österreichischen Regierung, Herbert Kickl (FPÖ). Er vermittelt immer wieder die Einstellung, die Politik stünde über dem Recht und sogar über internationalen Rechtsgrundlagen. (…) Ferner ist noch immer ein niederösterreichischer Landesrat im Amt, der meint, nicht Richter, sondern Politiker könnten Menschen oder zumindest ‚Halbverbrecher‘, wie er sagte, aus dem Verkehr ziehen, also einsperren.“

(Kapitel: Epilog)

„Die ÖVP hat sich, ganz so, als ob es in den Zehn Geboten verankert wäre, immer dafür ausgesprochen, dass Familien mit mehr Kindern auch mehr gefördert werden müssen. Das galt bei der Familienbeihilfe, beim Steuerrecht und vielen anderen Maßnahmen. Jetzt lautet die Prämisse bei der Mindestsicherung: Migranten haben viele Kinder, deswegen gilt dieses Gebot nicht mehr.“

(Kapitel: Epilog)

„In Österreich scheinen Umfragen zum einzigen Maßstab für den Erfolg und für die Richtigkeit der eigenen Politik geworden zu sein. Der Preis für gute Umfragewerte ist, dass man ausschließlich an in Meinungsumfragen und an in der Öffentlichkeit populär wirkenden Positionen arbeitet.“

(Kapitel: Epilog)

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