Frühling für Griesgrame und Zwiderwurzen

Seien Sie nett zueinander!
Seien Sie nett zueinander!(c) imago/Westend61 (Uwe Umstätter)
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Es ist Frühling, bald kommt der Sommer. Zeit, ein bisschen freundlicher zu werden. Wie das geht? Eine Anleitung für Griesgrame und Zwiderwurzen.

Also erstens gibt es so etwas wie Lächeln. Das funktioniert so: Suchen Sie sich einen Menschen, den Sie irgendwie nett finden. Weil Sie mit ihm verheiratet sind, verwandt oder befreundet, weil er Ihnen gerade eine Wurstsemmel verkauft hat oder weil er in seinem rot-weiß gepunkteten Regenmantel ein bisserl aussieht wie ein Marienkäfer. Wenn Sie diesen Menschen gefunden haben, dann warten Sie, bis er herschaut – und dann lächeln Sie. Nicht nur mit den Mundwinkeln nach oben, sondern auch mit Fältchen um die Augen und so. Wenn er nicht zurücklächelt: Macht nichts. Vermutlich ist er das von Ihnen nur nicht gewohnt. Freuen wird er sich trotzdem.

Zweite Aufgabe: sich bedanken. Auch das kann man bei Fremden fast genauso gut wie bei Menschen, die einem sehr nahestehen. Danke, dass du mir den Kaffee ans Bett gebracht hast, dass ich im Restaurant auf dem Platz sitzen kann, von dem aus man den See sieht, wie er in der Abendsonne glitzert. Danke, dass Sie so schnell gekommen sind, um den Boiler zu reparieren. Und vielen, vielen, vielen Dank noch einmal an alle, die mir in der Schlange vor der Sicherheitskontrolle den Vortritt gelassen haben, damit ich den Anschlussflug nicht versäume. Hat geklappt!

Der dritte Punkt braucht ein bisschen Fingerspitzengefühl, man kann einen Wildfremden schließlich nicht einfach auf seinen Marienkäferregenmantel ansprechen. Aber Komplimente sind etwas Nettes. Ich freue mich eigentlich immer.

Auch über Lob übrigens. Wenn jemand etwas super macht, kann man das auch sagen. Das war viertens.

Verblüffung. Die hohe Kunst der Freundlichkeit: Entschuldigen Sie sich. Wenn Sie etwas falsch gemacht haben sowieso, aber auch, wenn Sie glauben, Sie hätten sich völlig korrekt verhalten. Der andere ist einfach zu schnell gefahren, hat nicht angerufen, hat sich missverständlich ausgedrückt, Sie trifft keine Schuld? Trotzdem. Denn erstens stimmt das mit einiger Wahrscheinlichkeit gar nicht, wir sind erstaunlich schlecht beim Erkennen eigener Fehler. Und zweitens: Auch egal. Allein die Verblüffung ist es wert!

Und zum Schluss: Verzichten Sie auf Ihr Recht. Also nicht immer, nicht überall, aber hin und wieder: Zwingen Sie den Autofahrer, der sich dem Zebrastreifen nähert, nicht zum Halten. Lassen Sie an der Kassa die junge Frau, die nur zwei Cola und eine Kabanossi in der Hand hat, einfach vor. Bremsen Sie ab, damit der Mann mit Kinderwagen die Fahrbahn überqueren kann. Seien Sie großzügig.

Mein Mann hat diese Kolumne gelesen. Er hat gesagt, er druckt sie sich aus und wird sie mir in regelmäßigen Abständen zu lesen geben.

bettina.eibel-steiner@diepresse.com

www.diepresse.com/amherd

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.04.2019)

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