Franz Dinghofer: Ein politisch unbelasteter Vorfahr der FPÖ?

Per 1. Juli 1940 NSDAP-Mitglied: Franz Dinghofer, 1873 bis 1956.
Per 1. Juli 1940 NSDAP-Mitglied: Franz Dinghofer, 1873 bis 1956.ÖNB-Bildarchiv / picturedesk.com
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Ein Franz-Dinghofer-Institut als Denkwerkstatt, eine Franz-Dinghofer-Medaille als Parteiauszeichnung: In Franz Dinghofer meint die FPÖ einen politisch unbelasteten Vorfahren gefunden zu haben. Ein Blick in die Archive fördert anderes zutage.

Die FPÖ ist auf der Suche nach einem herzeigbaren politisch unbelasteten Vorfahren und Mentor und glaubt, ihn in Franz Dinghofer gefunden zu haben: mit einem Franz-Dinghofer-Institut als Denkwerkstatt und einer jährlich vergebenen Franz-Dinghofer-Medaille als Parteiauszeichnung. Auch der ORF hat ihm anlässlich des Gedenkjahres „100 Jahre Republik“ eine Dokumentation gewidmet. Die dafür interviewten Journalisten, Parteihistoriker und Altpolitiker feierten ihn unisono als Mann der Mitte, österreichischen Patrioten, aufrechten Demokraten, Baumeister der Republik und Mix aus österreichischem Beamten und fortschrittlichem Politiker. Und Heinz-Christian Strache freute sich: „Höchste Zeit für eine entsprechende filmische Würdigung!“

Von der Geschichtsschreibung wurde Dinghofer zweifellos bislang recht wenig beachtet. In Linz, seiner Wirkungsstätte als Bürgermeister zwischen 1907 und 1918, und in Ottensheim, seinem Geburtsort, sind zwar Straßen nach ihm benannt, doch am Republikdenkmal in Wien sind weder er noch sein christlichsozialer Widerpart Johann Nepomuk Hauser erwähnt. Als einer der drei gleichberechtigten Präsidenten der Provisorischen Nationalversammlung im Jahr 1918, die die Grundstrukturen des neuen Staates Österreich festlegen sollte, war er turnusgemäß dazu ausersehen, am 12. November von der Rampe des Parlaments den Beschluss über die republikanische Staatsform des wenige Tage vorher gegründeten neuen Staats zu verlesen. Sicherlich kam ihm dabei, als bekennendem Großdeutschen und glühendem Anschlussbefürworter, auch die Formulierung dieses Gesetzes entgegen, wo im ersten Paragrafen Österreich als demokratische Republik gegründet und im zweiten gleich deren Auslöschung durch einen Anschluss an die Deutsche Republik festgelegt wurde.

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