Roger Federers Gespür für Sand

Große Ziele auf roter Asche: Roger Federer.
Große Ziele auf roter Asche: Roger Federer.REUTERS
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Der 37-jährige Schweizer gibt in Madrid ein überraschendes Sandplatz-Comeback. Warum legt er sich noch einmal mit den Topspin-Spezialisten an?

Madrid/Wien. Pierre Paganini muss es wohl wissen. Der legendäre Schweizer Fitnesscoach ist seit knapp 20 Jahren für Roger Federer zuständig und räumt mit einem weit verbreiteten Mythos auf. Nämlich, dass Sandplätze schonender für Tennisspieler seien als Hartplätze. Paganini ist anderer Meinung, schließlich gebe es beim typischen Rutschen auf Sand viel mehr Vibration in den Gelenken, Knien und Füßen, alles in allem also weit mehr Instabilität. Auf Hartplatz (und Rasen) sei die Erschütterung hingegen nur kurz.

Paganinis Ansichten sind sicher einer der Gründe dafür, dass der inzwischen 37-jährige Federer in den vergangenen zwei Jahren im Frühjahr eine Schaffenspause eingelegt und gänzlich auf Sandplatztennis verzichtet hat. Es hatte schon den Anschein, als wäre es Dominic Thiem gewesen, der einen der größten Spieler der Geschichte in den Sand-Ruhestand verabschiedet hat. Der Österreicher besiegte Federer in dessen bisher letzter Partie auf roter Asche im Achtelfinale von Rom 2016 (7:6, 6:4). Zur Erinnerung: Federer war damals nach einer Meniskus-OP und Rückenproblemen angeschlagen und beendete die Saison wenig später vorzeitig.

Der Schweizer selbst hatte eine Rückkehr auf die Sandplätze dieser Welt zwar nie ausdrücklich ausgeschlossen, dennoch war es eine Überraschung, als er Ende Jänner verkündete, heuer beim Masters 1000 in Madrid (ab Sonntag) und bei den French Open in Paris (ab 26. Mai) aufzuschlagen. Schließlich hat er mit seinem Sandverzicht vieles richtig gemacht, 2017 und 2018 drei seiner insgesamt 20 Grand-Slam-Titel geholt und acht weitere große Turniere gewonnen.

Champion in Paris? „Warum nicht?“

Nun werden also wieder die Sandplatzschuhe geschnürt. Fünf Wochen nach dem 101. Karrieretitel (Miami, Hartplatz) wird Federer in Madrid wieder ins Tourgeschehen eingreifen. Die Aufgabe hat es in sich: Die Höhenlage der spanischen Hauptstadt (knapp 700 m) und der hohe Ballabsprung begünstigen Topspin-Spezialisten wie Rafael Nadal oder Dominic Thiem. Allerdings hat Federer hier zweimal auf Sand triumphiert, 2009 und 2012 (auf blauem Untergrund), während er in Monte Carlo und Rom nie gewinnen konnte. Sein bisher letzter Sandtitel gelang 2015 in Istanbul, ein damals wie heute schwach besetztes 250er-Event.

Federer weiß: Sein Sandexperiment könnte sehr schnell wieder vorbei sein. Warum also die Pflügerei durch die rote Asche, sein ohnehin „schwächster“ Belag (nur ein Major-Titel)? Zu meistern sind die kräfteraubendsten Ballwechsel, leichte Punkte durch den Aufschlag sind selten, Federers Slice wird einigermaßen entschärft, die Vorhand büßt an Tempo ein, und die Rückhand – auch wenn er sie besser schlägt denn je – wird bei Topspin-Geschossen angreifbar. Doch die Anpassungsfähigkeit war immer schon eine Stärke Federers. „Es ist schon der Nervenkitzel, das Ungewisse, das einen reizt“, sagt die aktuelle Nummer vier der Welt gegenüber Tennisnet.

Vorbereitet hat sich der Basler mit drei intensiven Trainingswochen in der Schweizer Heimat, Bilder zeigten ihn auch beim Linienputzen. An seiner Seite: die Trainer Ivan Ljubičić und Severin Lüthi sowie Fitnesscoach Paganini. „Bei Roger ist die Begeisterung immer gleich groß wie der Ehrgeiz und umgekehrt“, sagte Paganini dem Schweizer „Blick“. „Das hat nichts mit dem Belag zu tun, sondern mit Tennisverliebtheit. Ich glaube, Roger kann auf jeder Unterlage große Resultate holen.“ Auch Federer wurde gefragt, ob er noch einmal die French Open gewinnen kann. Seine Antwort: „Warum nicht? Ich denke, es ist möglich.“

FEDERER AUF SAND

Bisher letzter Auftritt: Rom 2016, Achtelfinal- Niederlage gegen Dominic Thiem − 6:7 (2), 4:6. Bisher letzter Titel: Istanbul 2015 (250er), Finalerfolg über Pablo Cuevas − 6:3, 7:6 (11).

Einziger Major-Titel: French Open 2009, Finalerfolg über Robin Söderling − 6:1, 7:6 (1), 6:4.

Längste Partie: Finale Rom 2006, 5:05 Stunden, Rafael Nadal siegte 6:7 (0), 7:6 (5), 6:4, 2:6, 7:6 (5). Zugleich das längste Match in Federers Karriere.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.05.2019)

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