Glumpert

Tja, das war wirklich eine Überraschung, wie uns kürzlich Herr Rudolf K., Hausarbeiter im Parlament, erzählte: Vor zwei Jahren musste ja der noble Hansen-Bau am Ring zwecks Totalsanierung leer geräumt werden.

Besenrein sozusagen. Und gründlich, wie die wack'ren Herren der Parlamentsdirektion nun einmal sind, öffneten sie im zweiten Kellergeschoß Schränke, für die sich seit Jahrzehnten kein Mensch interessiert hatte. Ein Kasten überdauerte ungeöffnet sogar mehr als 100 Jahre. Er enthielt einen Brokatvorhang – für die nie verwendete Kaiserloge im Hohen Haus. Exakt 72 Jahre lang blieben in einem anderen finsteren Gelass zwei Porträtbüsten versteckt, die einst wohl für ehrfürchtiges Schaudern gesorgt hatten: Herr Hitler höchstselbst – aus Gips. Statt den Unseligen einfach zu entsorgen, hat man das Glumpert dem Haus der Geschichte geschenkt. Viel Vergnügen damit!

Was wohl Entrümpler in 100 Jahren aus diversen Kellern zutage fördern werden? Originalverpackte Restposten von Büchern, die „Haltung“ verheißen? Oder einen Bananenkarton voll bunter Seidenmascherln? Eventuell auch einen leeren Aktenkoffer mit der mühsam zu entziffernden Aufschrift „Schwiegermutter“? Vielleicht aber auch die Memoiren eines früheren Möchtegernkanzlers: „Hochmut kommt vor dem Fall“. (hws)

Reaktionen an:hans-werner.scheidl@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.05.2019)

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