Die neue Kanzlerin, ihr Kabinett und die Medien

Die Übergangskanzlerin Brigitte Bierlein am Rande des ersten Ministerrats am Mittwoch vor einer Woche.
Die Übergangskanzlerin Brigitte Bierlein am Rande des ersten Ministerrats am Mittwoch vor einer Woche.(c) APA/GEORG HOCHMUTH
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Warum der „Maulkorberlass“ von Bundeskanzlerin Bierlein nicht mit der Wächter- und Kontrollfunktion der Medien vereinbar ist.

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Der dritte US-Präsident, Thomas Jefferson, hielt einst fest, dass Information die Währung der Demokratie ist. So gesehen sorgten die „Grundregeln für die Medienarbeit“, die Bundeskanzlerin Brigitte Bierlein ihren Ministern vergangene Woche austeilte, für eine kleine „demokratiepolitische Währungskrise“.

Gemäß diesen „Grundregeln“ sei gegenüber Medien Zurückhaltung zu üben. Ein Minister dürfe ein Interview nur in enger Abstimmung mit der Bundeskanzlerin geben; direkter Kontakt zu Journalisten sei zu vermeiden, es sei immer auf den Pressesprecher zu verweisen. Dieser „Maulkorberlass“ ist mit der Wächter- und Kontrollfunktion der Presse nicht vereinbar. Als oberste Verwaltungsorgane sind die Minister den Medien, die eine wichtige Mittlerrolle zwischen Politik und Bevölkerung einnehmen, auskunftspflichtig. Oder anders formuliert: Die Medien haben gegenüber den Ministern einen Informationsanspruch. Demokratie funktioniert nur dann, wenn informierte Medien staatliche Vorgänge für die Öffentlichkeit transparent machen. Der Bürger kann diese Vorgänge infolgedessen beurteilen – er kann sie billigen oder ablehnen. Aus demokratiepolitischer Sicht ist eine offene Informationspolitik der Regierung also unerlässlich. Dafür sprechen aber auch pragmatische Gründe. Ein korrektes Verhältnis der Regierung zu den Medien erleichtert nämlich auch die eigene Informationsarbeit. Die Medien sind Multiplikatoren und ermöglichen der Regierung einen breiten Kontakt mit der Bevölkerung (erst im Fall einer „illiberalen Demokratie“, für die der ungarische Premier Viktor Orbán eintritt, fällt dieser Aspekt weg; Orbán drängt freien Journalismus sukzessive zurück).

Dass ihre „Grundregeln für die Medienarbeit“ unseren demokratischen Grundregeln widersprechen, erkannte schließlich auch die Bundeskanzlerin. Nach zahlreichen Protesten von Journalisten stellte sie klar, dass die Regeln „missverständlich“ seien und ihre Minister selbstverständlich für Interviews zur Verfügung stünden.

„Missverständliche“ Regeln

Vielleicht lag der Eklat auch daran, dass die neue Regierung von Beamten geprägt ist. In Österreich herrscht in der Verwaltung leider nach wie vor die Einstellung vor, Auskünfte unter Berufung auf das Amtsgeheimnis möglichst zu verweigern. Ein modernes Informationsfreiheitsgesetz, auf das sich nicht nur Journalisten, sondern auch einzelne Bürger berufen können, ist daher überfällig. Im Streitfall sollte ein unabhängiger Beauftragter über die Herausgabe der Information rasch entscheiden.

Dr. Alexander Warzilek ist Geschäftsführer des Österreichischen Presserats und Univ.-Lektor für Medienrecht.

E-Mails an: debatte@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.06.2019)

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