Im Mythos mit Musikfetzen

Die Beziehungslage ist hoffnungslos, aber nicht durchwegs ernst in David Martons „Narziss und Echo“.

Die ältere Dame im Pelz, die den leeren Postkartenständer mit Minispiegeln bestückt. Der kleine Typ im Norwegerpulli, der gern Ovid im Original rezitiert und als Barpianist in Allerweltsgefühlen umrührt. Der Kerl im Unterhemd, der seine Grünpflanzen aus der Sprühflasche pflegt und sich selbst mit Dosenbier. Der Trompeter, halb Sandler mit Einkaufswagerl, halb cooler Künstler mit Hut. Und die behütete junge Studentin, die am Teppich liegend Tagebuch schreibt und zwischendurch Klarinette spielt. Dazu tost und braust es hin und wieder aus den Lautsprechern: Musikfetzen, aus Bayreuth angeweht oder dem Kino entfleucht, Wellenrauschen und Autolärm, alles vielfach überlagert (die selbstständige Klanginstallation „Fernsehen“ von Daniel Dorsch).

Unterdessen parlieren die Damen gern Französisch, der Trompeter lässt in Wort und Ton den US-Jazzer heraushängen, der Gärtner spricht Deutsch mit Akzent – und es wird auch zart im Ensemble gesungen. Alle sind in eigenen Kabäuschen angesiedelt: quaderförmige Verschläge mit Wänden aus türartig drehbaren Lamellen, bespannt mit transparenten bunten Folien. Lang bleibt jeder für sich, und wenn die Figuren endlich mobil werden, und wie!, heißt das nicht, dass etwaiges Aufeinandertreffen auch zu einer wirklichen Begegnung werden muss: Klar, es geht ja um „Narziss und Echo“, wie schon der Titel dieser von David Marton konzipierten und inszenierten Mischung aus Performance und Musiktheater verrät. Echo war, siehe „Metamorphosen“, eine von Haus aus sogar besonders gesprächige Nymphe, weshalb sie Zeus dazu anstiftete, Hera mit Geschichten einzulullen, damit er ungestört fremdgehen konnte. Als sie das Komplott endlich durchschaute, strafte Hera die Nymphe damit, nur noch die jeweils letzten Worte nachplappern zu können. Ihre Liebe zum in sein Spiegelbild vernarrten Jüngling Narziss blieb deshalb doppelt hoffnungslos: Dialog unmöglich.

Unübersehbares Vorbild: Marthaler

Das dekliniert Marton mit seinem starken „Road Opera“-Ensemble in 75 Minuten durch, umkreist es, hin und wieder auch komisch: Wenn die Tochter ihren Eltern den Freund vorstellt, gerät das zu einer herrlichen Fremdschämszene. Ganz so virtuos, hintergründig und humorvoll wie bei Übervater und Vorbild Christoph Marthaler wird das Ganze freilich nicht, das Publikum reagierte trotzdem begeistert.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.06.2019)

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