Darabos: „Wir leben ja nicht mehr im Kalten Krieg“

Darabos bdquoWir leben nicht
Darabos bdquoWir leben nicht(c) APA (GEORG HOCHMUTH)
  • Drucken

Verteidigungsminister Darabos kündigt bis Ende Juni ein Sparkonzept an. Waffengattungen werden aber nicht abgeschafft. Den Rechnungshof greift er an: Er verbittet sich „politische Bewertungen“ zum Grenzeinsatz.

„Die Presse“: Herr Minister, können Sie mir einen vernünftigen Grund nennen, warum der Assistenzeinsatz des Bundesheeres an der Ostgrenze verlängert werden sollte?

Norbert Darabos: Da gibt es viele. Seit 1990 hat der Assistenzeinsatz dazu beigetragen, mehr als 90.000 illegale Grenzübertritte zu verhindern. Und in der neuen Form seit 2008 haben die Soldaten über 2400 Meldungen an die Exekutive gemacht. Das zeigt seine sicherheitspolitische Relevanz. Außerdem ist durch ihn das Sicherheitsgefühl in der Grenzregion gestärkt worden.

Im gesamten Vorjahr wurden genau neun Illegale aufgegriffen. Dabei verursacht der Grenzeinsatz laut Rechnungshof Zusatzkosten von 22 Millionen Euro pro Jahr. Das ist viel Geld für eine Gefühlssache.

Darabos: Ich verwahre mich entschieden gegen diese fast schon niederträchtige Vermischung von Äpfel und Birnen, die da dauernd gemacht wird. Seit 2008 ist es nicht mehr die Aufgabe des Bundesheeres, illegale Grenzübertritte zu verhindern, sondern die Exekutive zu unterstützen. Außerdem liegen die Mehrkosten zwischen zwölf und 13 Millionen Euro – und nicht, wie pausenlos kolportiert wird, bei 22 Millionen Euro im Jahr.

Das kolportiert der Rechnungshof.

Darabos: Man kann jetzt grundsätzlich diskutieren, ob es Aufgabe des Rechnungshofes ist, politische Entscheidungen zu kommentieren.

Soll sich der Rechnungshof aus Heeresangelegenheiten heraushalten?

Darabos: Nein, aber politische Bewertungen sollte er nach Möglichkeit unterlassen. Sicherheitspolitische Kompetenz würde ich dem Rechnungshof nämlich nicht unbedingt zuordnen. Aus meiner Sicht ist die Assistenzleistung gerechtfertigt – solange in dieser sensiblen Grenzregion das Polizeikontingent nicht aufgestockt wird.

Das Burgenland hat zum Beispiel im Verhältnis zur Einwohnerzahl die meisten Exekutivbeamten. Und die Kriminalitätsrate ist rückläufig.

Darabos: Möglicherweise hängt das ja mit dem Assistenzeinsatz zusammen. Damit wäre seine präventive Wirkung bewiesen. Man darf nicht vergessen, dass die Ostregion sicherheitspolitisch eine spezielle Zone ist. Sie ist von der organisierten Kriminalität aus dem ehemaligen Ostblock viel stärker betroffen als Grenzgebiete in Westösterreich.

Es gibt prominente Verfassungsjuristen – Heinz Mayer und Bernd-Christian Funk etwa –, die sagen, der Assistenzeinsatz sei verfassungswidrig.

Darabos: Seit 1990 kann ich mich an kein einziges Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes erinnern, das dies festgestellt hätte. Diese Zurufe sind durch nichts legitimiert.

Auffällig ist, dass die Debatte so kurz vor der burgenländischen Landtagswahl aufflammt. Inwieweit ist das Wahlhilfe für Hans Niessl, der ja um die absolute Mehrheit zittern muss?

Darabos: Die Debatte wurde von den Herren Lopatka (ÖVP-Finanzstaatssekretär, Anm.) und Kapeller (Wehrsprecher der ÖVP, Anm.) angezündet, indem sie meinten, der Einsatz sei nicht mehr notwendig. Insofern muss es auch legitim sein, dieses Thema in einer Wahlbewegung zu diskutieren, um den Menschen klarzumachen, welche Partei welche Position vertritt.

Ist Werner Faymanns Wahlslogan „Genug gestritten“ damit Geschichte?

Darabos: Nein, es ist nicht mehr als eine Meinungsverschiedenheit. Wobei die ÖVP ja auch für die Verlängerung ist – sie traut es sich im Moment nur noch nicht zu sagen.

Warum nicht?

Darabos: Vielleicht glaubt sie, dass sie damit Hans Niessl in die Hände spielen würde. Aber das kann ja nicht die Grundlage für eine Entscheidung sein. Übrigens stehen 86 Prozent der Bevölkerung hinter dem Assistenzeinsatz des Heeres.

Halten Sie es für richtig, Umfragen zur Grundlage von politischen Entscheidungen zu machen?

Darabos: Gegenfrage. Ist es richtig, Politik gegen die Bevölkerung zu machen? In diesem Fall ist es eine Mischung aus beidem: Der politische Anspruch trifft sich mit der Akzeptanz in der Bevölkerung, und das ist ja nicht das schlechteste.

Man hört, dass es nach der Wien-Wahl eine Regierungsumbildung geben soll, im Zuge derer Sie zurück in die SPÖ-Zentrale beordert werden.

Darabos: Das entbehrt jeder Grundlage. Ich sehe meinen Platz in der Bundesregierung und fühle mich wohl in meiner Funktion.

Und ganz generell: Können Sie eine Regierungsumbildung im heurigen Jahr ausschließen?

Darabos: Ich habe innerhalb der SPÖ nichts dergleichen gehört – insofern kann ich das ausschließen.

Das Bundesheer muss bis 2014 nun 530 Millionen Euro einsparen. Wo werden Sie den Sparstift ansetzen?

Darabos: Wir werden bis Ende Juni ein Konzept auf den Tisch legen.

Generalstabschef Edmund Entacher hat vor Kurzem anklingen lassen, dass einzelne Waffengattungen aufgelassen werden könnten?

Darabos: Wir leben ja nicht mehr im Kalten Krieg, und deswegen wird es auch da einige Adaptierungen geben müssen. Aber die Abschaffung einer ganzen Waffengattung werde ich nicht zulassen.

Wo werden Sie dann einsparen?

Darabos: Sicher nicht bei den Bediensteten im niedrigen Gehaltsbereich und bei der Truppe. Es wird Kürzungen geben, Rückführungen und Streckungen bei Beschaffungsvorhaben, die zwar aus Sicht der militärischen Führung wünschenswert, aber nicht notwendig sind.

Es heißt, die Stimmung zwischen Ihnen und Entacher sei angespannt, weil er sich zu weit aus dem Fenster gelehnt habe. Steht er vor der Ablöse?

Darabos: Ganz im Gegenteil. Es gibt ein sehr inniges Vertrauensverhältnis. Sie können davon ausgehen, dass ich größtes Interesse habe, dass Entacher seinen Vertrag erfüllt.

Zurück ins Burgenland: Man sagt, Sie seien Hans Niessls programmierte Nachfolger. Ist das Ihr Karriereziel?

Darabos: Nein, es stört mich massiv, dass das immer wieder lanciert wird. Es ist nicht in meinem Lebensplan, dass ich Landeshauptmann des Burgenlandes werde.

Wenn dereinst der Ruf ertönen sollte, dann werden Sie ihn überhören?

Darabos: Hans Niessl hat noch viel Vitalität in sich. Alles andere ist im Moment bloß Kaffeesudleserei.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.05.2010)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.