Nur das Kaputte im Körper?

Schmerz war und ist kein rein medizinisches Problem, sondern immer ein gesellschaftliches, kulturelles und persönliches. Der Schmerztherapeut Andreas Jelitto verschränkt in seinem Buch Patientengeschichten mit einem tieferen Verständnis für Schmerzerkrankungen.

Andreas Jelitto ist ein besonderes Buch gelungen. Unter den vielen Publikationen über das Thema Schmerz, von Patienten, Wissenschaftsjournalisten und Ärztinnen verfasst, ragt diese aus verschiedenen Gründen heraus. Andreas Jelitto ist seit vielen Jahren spezieller Schmerztherapeut in Deutschland und hat sich nie mit einer einzigen Lehrmeinung zufriedengegeben. Er hat seinen Horizont über die klassische medikamentöse und interventionelle Schmerztherapie hinaus um psychosomatisches Wissen und Techniken der Hypnose erweitert und kann so Interventionen setzen – verbal mit einer inneren Haltung und einem tiefen Verständnis –, wie es nur wenigen vorbehalten ist. Natürlich sind die geschilderten Patientengeschichten „Best of Jelitto“, aber nach jeder Geschichte folgt eine gut lesbare und wissenschaftlich abgesicherte Erklärung, wie das Festhalten am Schmerz aufgegeben werden konnte.

Schmerz ist ein umfassendes sozio-psycho-biologisches und kulturelles Regulationssystem, dem wir nicht gerecht werden können, wenn wir es rein traditionell medizinisch betrachten. Das hat sich in Deutschland zu einer unabwendbaren wissenschaftlich abgesicherten Tatsache etabliert; vor allem aufgrund der langen Tradition psychosomatischer Betrachtungsweisen von Erkrankungen: ausgehend von Thure von Uexküll, dem Pionier dieser Krankheitseinsicht, bis zu den interdisziplinären, multimodalen Einrichtungen für stationäre und ambulante Schmerztherapie. Davon kann der österreichische Nachbar nur träumen. So wird – und ich sage es nur leise – ärztliches Handeln manchmal wieder eine Kunst.

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