Superagent Boris

Der britische Premierminister schafft das scheinbar Unmögliche – er eint die Opposition und spaltet die eigenen Partei noch weiter.

Dass der Brexit zu einer unendlichen Geschichte mit weiterhin höchst ungewissem Ausgang geworden ist, liegt nicht nur an dem hartnäckigen Missmanagement konservativer Premierminister. Mit ihrem Kurs des „Ja-aber-vielleicht-jedoch-auch nicht“ hat die oppositionelle Labour Party ein gerütteltes Maß an Mitschuld an der aktuellen Malaise.

Aber Rettung naht manchmal von unerwarteter Seite. Was kein Parteitagsbeschluss und keine vertraulichen Gespräche in dunklen Ecken der verwunschene Korridore des britischen Parlamentsgebäudes in drei Jahren erreichen konnten, hat Premierminister Boris Johnson in wenigen Wochen geschafft: Erstmals steht die Opposition geschlossen zusammen, um den Crashkurs eines No-Deal-Brexit in letzter Sekunde zu verhindern.

Und erstmals zeigen sich die Kräfte der Besonnenheit und Vernunft auch nicht blauäugig und einfältig. Johnsons Bulldozertaktik hat selbst den naivsten Politikern die Augen weit geöffnet. Der Mann, der 2016 den Brexit mit den Worten forderte, das Parlament müsse wieder höchste Instanz im Land sein, schickt die Abgeordneten in den Zwangsurlaub. Der Mann, der Großbritannien als Mutterland der Demokratie nie müde wird zu preisen, droht Gegner mit brutaler Säuberung.

Zugleich hat er es damit geschafft, die Spaltung seiner eigenen Konservativen noch zu vertiefen. Eine Handvoll Tories machte schon vor der entscheidenden Abstimmung klar, dass sie den No-Deal-Brexit unter allen Umständen verhindern wollten. Darunter ist Nicholas Soames, der Enkel von Johnsons großem Vorbild Winston Churchill. Macht er seine eigenen Drohungen wahr, wird Johnson nun Soames aus der konservativen Partei ausschließen müssen.

Der Verdacht lässt sich nicht mehr länger erwehren, dass der Premierminister in Wahrheit ein Superagent der EU sein muss. Indem er die Absurdität eines harten Brexit auf die Spitze treibt, mobilisiert er sogar jene, die bisher gehofft hatten, dass am Ende nichts so heiß gegessen wie gekocht werde. Was keine Warnung aus Brüssel den Briten bisher glaubhaft vermitteln konnte, ihr eigener Premierminister hat es ihnen glasklar vor Augen geführt: Ohne die EU steht das Land vor dem Abgrund.

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