Primat der Politik auf dem Prüfstand

Kompetente Fachminister contra Parteipolitiker am Beispiel des Verteidigungsministeriums.

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Da zeigt also ein General und Neominister im Beamtenkabinett Brigitte Bierlein, wie fahrlässig die Politik seit Jahrzehnten mit dem Bundesheer umgeht. Und das, obwohl zuletzt zwei Parteien regierten, die stets die Wichtigkeit der Soldaten betont hatten.

Anfang 2013 hatte die ÖVP der damaligen Kanzlerpartei SPÖ den Wahlkampfschlager Berufsheer durch eine große Kampagne für die Wehrpflicht vermasselt. Das Argument: Der Katastrophenschutz etwa bei großen Überschwemmungen sei nur mit Wehrpflichtigen zu schaffen. Ähnlich argumentierte die FPÖ. Insider wussten da längst, wie schlecht der Zustand der Heeresfahrzeuge ist; ein Rekordhochwasser wie jenes im Jahr 2012 wäre nicht noch einmal zu bewältigen. Ganz zu schweigen vom Zustand vieler Kasernen und fehlender Mannesausrüstung vor allem für Reservearmee und Miliz. Nicht viel besser sieht es in der Luft aus. Zwar wurde dem Bundesheer mit Geldern aus dem Katastrophenfonds geholfen, um die schweren Blackhawk-Maschinen aufzustocken und aufzurüsten, auch die französischen Alouette III, die ansehnliche 50 Jahre auf dem Buckel haben, sollen bald ersetzt werden.

Und wie sieht es bei der Luftraumüberwachung aus? Die Lebensdauer der seit 1970 (!) im Einsatz stehenden Saab 105 OE – einst waren es 40 Exemplare, heute zwölf – ist mit 2020 definitiv zu Ende. Ein Jahr länger dürfen die Eurofighter ohne Update fliegen. Bereits seit Jahren sitzen die Heeresspezialisten über dem Angebot für Ersatz, doch in der überschaubaren Budgetplanung findet sich kein Geld für die untere Grenze von zwei Milliarden Euro für beide Pakete.

Was treibt nun einen General – mit begrenzter Amtszeit – an, so lautstark Klartext zu reden? Baut Verteidigungsminister Thomas Starlinger darauf, zurück auf seinen sicheren Arbeitsplatz als Adjutant des Bundespräsidenten kehren zu können? Oder will er sich den Parteien als bessere Alternative für einen Berufspolitiker präsentieren? Gerade sein Vorgänger, Mario Kunasek, hat klar Schwächen dieser Spezies aufgezeigt. Ihm war vor allem seine Stammbasis in der steirischen FPÖ wichtig. Sein Ziel: ÖVP-Landeshauptmann Schützenhöfer bei der nächsten Wahl vom Thron zu stoßen. Fast alle Neuerungen wurden auf steirischem Boden vorgestellt. Der ÖVP-Finanzminister sah wenig Grund, Kunasek im Kampf gegen Schützenhöfer mit Geld zu unterstützen. Hohe Offiziere und Spitzenbeamte klagten, dass sie den Minister kaum zu Gesicht bekamen. An seiner Stelle führte Generalsekretär Baumann die Geschäfte.

Das alles gäbe es bei einem parteilosen Fachmann nicht. Er müsste nicht auf Anhänger und Parteifreunde Rücksicht nehmen. Starlinger hat das auch bei einem von Kunaseks Steckenpferden, der Sicherheitsschule in Wiener Neustadt, bewiesen. Das Vorgängermodell brachte dem Heer keinen erkennbaren Nutzen, nur Kosten.

Viel Geld für Symbolpolitik

Ähnlich verhält sich die Situation im Innenressort. Vor allem Herbert Kickl verwendete viel Zeit und Geld für Symbolpolitik, von den Polizeipferden bis zur Umbenennung von Traiskirchen in „Ausreisezentrum“,. Sein verbissener Kampf gegen schwarze Personalnetze endete in einem Desaster. Das BVT ist für lange Zeit beschädigt, ebenso die Personen, die er verfolgte, aber durch Gerichtsbeschluss wieder einsetzen musste. Sein Nachfolger, Wolfgang Peschorn, zeigte in der „ZiB 2“, wie unaufgeregt, bar jeder politischen Stoßrichtung man Probleme in Angriff nehmen kann.

Vielleicht sollte dies der nächste Regierungschef bei der Bildung seines Team und der Wahl seines Koalitionspartners im Auge behalten.

Prof. Gerhard Vogl (*1941) war zuerst Berufsoffizier, danach mehr als 30 Jahre im ORF, u. a. zentraler Chefredakteur.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.09.2019)

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