Glosse

Liebesentzug für Australien

Das englische Strafrecht kannte im 18. Jahrhundert die Todesstrafe – und eine Alternative, die als ebenso hart galt: ein Ticket für die Strafkolonie am Ende der Welt. Australien.

Dort, weit weg vom Facebook-Sitz im Silicon Valley, werden die Nachfahren der Verschifften Teil eines neuen Experiments: Einige australische Nutzer sehen seit Freitag nur noch die Likes unter ihren eigenen Posts, die anderen sind für sie unsichtbar. Man werde studieren, wie sie ihre Herzen und Daumen verschenken, wenn nur der Adressat sie sieht. So wolle Facebook – auf den nicht ganz neuen Rat der Psychologen hin – den sozialen Druck aus dem Netzwerk nehmen. Es soll um die Qualität der Inhalte gehen.

Interessante Einsicht einer Firma, die Likes zu einer Währung gemacht hat, auf der der Selbstwert vieler Nutzer und das eigene Werbegeschäft bauen. Australische Influencer – also jene Menschen, die es am besten verstanden haben, ihre Berge an Likes zu Geld zu machen – beschwerten sich über den Liebesentzug.

Australien erlangte 1907 die nahezu vollständige Unabhängigkeit von Großbritannien. Im Internet läuft das Spiel anders.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.09.2019)

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