Pro und Contra

Das Hin und Her um das KHM

Peter Kufner
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Die Absage von Eike Schmidt sorgt für Aufregung. Dabei gebe es gar keinen Grund dafür, meint Ex-KHM-Chef Wilfried Seipel. Anders sieht das die Grüne Eva Blimlinger.

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Contra von Eva Blimlinger

Schon die Ausschreibung der neuen KHM-Direktion war verunglückt. Dafür eilt es jetzt nicht, der Minister kann die Ernennung getrost seinem Nachfolger überlassen.

Schon rund um die Ausschreibung konnte man sich eigentlich nur wundern, wie so oft, einfach viel zu spät, um tatsächlich jemanden zu finden, der das Kunsthistorische Museum in die Zukunft führen könnte. Um sicher zu gehen, wurde das Auswahlverfahren von einem Headhunter durchgeführt, niemand weiß, warum. Zwei der 15 Kandidaten blieben über, Eike Schmidt, Direktor der Uffizien in Florenz, und Sabine Haag, die bisherige Generaldirektorin des KHM-Museumsverbands.

Anfang September 2017 musste es dann schnell gehen: Thomas Drozda, mitten im Wahlkampf, wollte zumindest einmal glänzen und präsentierte Eike Schmidt als neuen Direktor. Es war ein „Seht her, wie innovativ und veränderungswillig ich bin“. Mitnichten, kann man nur sagen, denn von Anfang an war klar, Schmidt würde erst 2019 kommen, nach dem Ende seiner Direktionszeit in Florenz. Alles egal – Hauptsache, etwas Neues – Mann muss Frau folgen: Kušej folgt Bergmann, Schmidt folgt Haag – Frauen sanieren, konsolidieren, was Männer hinterlassen haben: Matthias Hartmann/Georg Springer und Wilfried Seipel. Doch was tun bis 2019? Interimsdirektion, gut, ausschreiben, weniger gut, Sabine Haag ernennen, gut, deutlich weniger Gehalt zahlen, nicht gut. Von Anfang an verstummten die Gerüchte nicht, Schmidt werde gar nicht kommen, er wolle in Florenz bleiben. Nein, selbstverständlich, er kommt, nein, er bleibt in den Uffizien. Schon da hätte der zuständige Bundesminister, der mittlerweile Gernot Blümel hieß, stutzig werden müssen. Eine Vereinbarung über eine Ausstiegpönale hätte umgehend getroffen werden müssen – mir ist nichts dergleichen bekannt.

Das KHM bleibt auf den Kosten sitzen

Einen Monat vor Antritt kam angeblich die telefonische Absage, so der Minister. Nein, Sabine Haag wusste es schon am 24. September, die Kuratoriumsvorsitzende, Ulrike Baumgartner-Gabitzer, einen Tag später. Was für ein Zufall, dass die ehemalige ÖVP-Abgeordnete dafür sorgt, dass dieser Skandal erst nach der Wahl bekannt wurde. Sie fand es nicht der Mühe wert, die anderen Kuratoriumsmitglieder sowie den kaufmännischen Geschäftsführer, Paul Frey, und den Bundesminister zu informieren? Das KHM bleibt auf allen zusätzlichen Kosten sitzen – es sind, wie es so schön und treffend heißt, frustrierte Aufwendungen. Der Minister muss eine Rückzahlung aller bis jetzt entstandenen Kosten fordern.

Wie weiter? Sabine Haag wird als Interimsdirektorin verlängert, bis es einen Nachfolger, eine Nachfolgerin gibt. Die Position wird sofort international ausgeschrieben, sechs bis acht Wochen Ausschreibungsfrist mit möglichst baldigem Dienstantritt, aber es eilt auch nicht, es kann auch drei, vier Monate später sein. Es muss jemand gefunden werden, der den KHM-Museumsverband in die Zukunft führt, der oder die die unterschiedlichen Häuser in der österreichischen und internationalen Museumslandschaft positioniert und in der Kunstwelt bestens vernetzt ist. Ein Verfahren mit öffentlichen Hearings wäre eine Möglichkeit, um den seltsamen Bewerbungs- und Bestellungsvorgängen ein Ende zu setzen. Und in Zukunft sollten die Museen, ähnlich wie die Universitäten, über ihre Direktoren und Direktorinnen entscheiden und keine Minister. Denn so wie Drozda noch schnell Schmidt bestellt hat, hat sein ÖVP-Nachfolger Gernot Blümel noch schnell Peter Aufreiter als Direktor des Technischen Museum ausgewählt – informell wusste man schon vor der Ausschreibung im Februar, dass er es wird –, und Schallenberg hat ihn gleich im Juni bestellt, gemäß dem Motto Mann (Aufreiter) folgt Frau (Zuna-Kratky).

Also bitte, Herr Minister Schallenberg, überlassen Sie die Ernennung Ihrem Nachfolger oder Ihrer Nachfolgerin. Es eilt nicht!

Eva Blimlinger (* 1961) ist Historikerin, war bis September 2019 Rektorin der Akademie der bildenden Künste und kandidierte bei der NR-Wahl für die Grünen.

Pro von Wilfried Seipel

Eike Schmidt hat also den KHM-Chefposten abgesagt. Der Unmut im Ministerium ist verständlich, aber eigentlich kein Grund zur Aufregung. Alles bleibt, wie es war.

Nun hat Eike Schmidt also abgesagt. Was Einfühlsame und Kundigere seit Wochen vermutet hatten, ist eingetreten, Eike Schmidt hat Florenz vor Wien den Vorzug gegeben. Der Blätterwald rauscht, teils vor Empörung, teils vor Überraschung, das Kunsthistorische Museum beschwichtigt, und der Minister ist erzürnt. Der ehemalige Kulturminister, der die Causa letztlich ausgelöst hat, ist auch als Bundesgeschäftsführer der SPÖ nicht mehr präsent, obwohl er es besser hätte wissen können.
Jemanden, der gerade erst die Hälfte seiner Dienstzeit in den Uffizien absolviert hatte, aufzufordern, sich in Wien zu berufen (wo an sich keine Notwendigkeit eines Chefwechsels bestand), war mehr als blauäugig. Hier ging es aber ausschließlich um als Personalpolitik falsch verstandene Kulturpolitik. Staatsoper, Burgtheater, Österreichische Galerie Belvedere und eben auch das KHM mussten in der Chefetage erneuert werden. Jedem Minister sein neues Team.

Dann begann für das KHM das große Warten. Die bisherige Generaldirektorin, die sich nach Ablauf ihrer zweiten Fünfjahresperiode neuerlich bewerben musste, als ob sie ihren Job nicht bestens bewältigt hätte, und als Gleich- oder Zweitgereihte aus dem Verfahren ausstieg, musste Monate warten, bis man ihr gnädig und unter unwürdigen vertraglichen Einschränkungen eine Verlängerung bis zum Amtsantritt ihres angeblichen Nachfolgers ermöglichte.
Inzwischen hatte Eike Schmidt trotz seiner äußerst seltenen Besuche auch in Wien als zukünftiger Chef des KHM einen gewissen Bekanntheitsgrad erreicht. Eulogien in österreichischen und deutschen Medien lobten seine Erfolge in Florenz. Sabine Haag setzte indessen, wenn vielleicht auch mit etwas eingetrübter Begeisterung, ihre Arbeit zum Wohle des KHM fort.

Eike Schmidts Hoffnung ist zurück

Unbeachtet von den meisten österreichischen Medien hatte sich indessen in Italien ein kulturpolitischer Machtkampf bezüglich der gleichzeitig mit Schmidt ernannten ausländischen Direktoren entwickelt, der in teils skurrile Amtsenthebungen und Wiederbestellungen führen sollte und erst aufgrund der neuen politischen Machtverhältnisse beendet wurde. Und eben jener sozialdemokratische Kulturminister Franceschini, der eine Erneuerung der italienischen Museumsszene auch über nicht italienische Direktoren herbeiführen wollte, ist nun wieder im Amt – und die Hoffnung Eike Schmidts. Jedem, der die zahlreichen Interviews mit und um Schmidt in den italienischen Zeitungen verfolgt hat, war klar, dass hier jemand um die Fortführung seiner Tätigkeit in Florenz kämpft, wenn auch mit unsicherem Ausgang. Die offenbar von Schmidt angestrebte Strukturreform, die eine organisatorische Zusammenlegung der Uffizien mit dem Palazzo Pitti, den Boboli-Gärten und der Academia vorsieht, würde ihm neue Möglichkeiten bieten, seine Projekte umzusetzen.

Unsere beiden nach Italien ausgeliehenen Museumsdirektoren in Urbino und Mantua kehren zum 1. 11. ins Technische Museum (Wien) und ins Ferdinandeum (Innsbruck) zurück, Eike Schmidt bleibt in Italien. Und Sabine Haag, die demnächst eine großartige Caravaggio-Ausstellung eröffnet, bleibt im KHM. Also kein Grund zur Aufregung, alles bleibt, wie es war.

Sicher, der Abgang Eike Schmidts war nicht elegant, und der Unmut im Ministerium ist verständlich – so geht man nicht mit verantwortlichen Positionen um. Aber das gilt, etwa auf Sabine Haag bezogen, zumindest auch für das vorletzte Ministerium. Es wäre sehr zu hoffen, dass unter einer zu erwartenden türkisen Regierung (mit wem auch immer) den Museen, überhaupt der Kultur, wieder mehr Aufmerksamkeit gewidmet wird. Das Wort „Kultur“ war im Sprachschatz des unsäglichen Wahlkampfes kein einziges Mal zu vernehmen. Die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt.

Dr. Wilfried Seipel (*1944) ist Ägyptologe und Historiker und war von 1990 bis 2008 Direktor des KHM.

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