Einwurf

Zehn Anmerkungen zu CO2-Steuer und Steuerreform

Ökonomisch gesehen ist die CO2-Steuer völlig gerechtfertigt. Sie ist aber kein nachhaltiges Mittel zur Finanzierung des Staats.

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Die Einführung einer CO2-Abgabe wird mehrfach in Verbindung mit einer Steuerreform diskutiert. Der Zusammenhang erfordert einige Klarstellungen. Wenn man nämlich den Befürwortern einer CO2-Abgabe folgt, kommt dieser in einem veränderten Steuersystem eine wichtige Rolle als Finanzierungsquelle öffentlicher Haushalte zu. Da ist aber Vorsicht geboten. Was außer Streit steht bzw. nicht diskutiert werden wird, sind die negativen Auswirkungen von CO2 auf Erderwärmung bzw. Klimaänderungen und die damit verbundenen gesellschaftlichen Belastungen.

• 1. Ausgangspunkt für die Einführung einer CO2-Abgabe ist ein ökonomisch unerwünschtes, weil ineffizientes Ergebnis von Produktion und Konsum von Gütern und Dienstleistungen, die mit dem Ausstoß von CO2 untrennbar verbunden sind. Die negativen Folgen belasten auch Menschen, die nicht unmittelbar mit Herstellung und Konsum befasst sind. Ökonomisch besehen werden Schäden verursacht, und es entstehen Kosten, die in den Preisen für die Güter und Dienstleistungen zunächst freiwillig keine Berücksichtigung finden. Ohne die sogenannten sozialen Kosten sind die in Rechnung gestellten Kosten volkswirtschaftlich zu niedrig; daher wird ökonomisch gesehen zu viel von den Gütern und Dienstleistungen angeboten und nachgefragt. Das trifft natürlich nicht nur auf den CO2-Ausstoß zu, sondern auf alle negativen Drittwirkungen (Chemikalien, Lärm usw).

• 2. Einschränkungen auf das ökonomisch verträgliche Maß sind gefragt, wobei es mehrere Möglichkeiten gibt: Umstieg auf umweltverträglichere Güter und Dienstleistungen, wenn vorhanden; Anreize zu Innovationen und Investitionen zur Senkung des CO2-Ausstoßes bei den betreffenden Gütern und Dienstleistungen, oder, wenn organisatorisch möglich, sogenannte Umweltzertifikate, die zunächst eine Abgeltung für die Belastungen darstellen, aber letztlich auch Anreize im Sinn der vorher genannten Maßnahmen liefern sollen. Und dann sind da noch Steuern, welche die korrekten volkswirtschaftlichen Kosten herbeiführen und natürlich zugleich Anreize zum sparsameren Verbrauch oder dem Übergang auf umweltverträglichere Produkte schaffen sollen.

• 3. Solche Steuern dienen aber vorrangig nicht der Erzielung von Staatseinnahmen, der Herbeiführung der Verteilungsgerechtigkeit oder Stabilitätsprogrammen (bei möglichst gleichbleibendem Aufkommen): Sie sind Lenkungssteuern, die eine Verhaltensänderung bewirken sollen.

• 4. Es hängt natürlich von der Reagibilität und Flexibilität („Elastizitäten“) des ökonomischen Systems ab, wie diese Steuern wirken, aber ihr Erfolg besteht letztlich darin, dass das Steueraufkommen mit der Wirksamkeit des Lenkungseffekts immer kleiner wird (jedenfalls bei gleichbleibendem Wachstum der Volkswirtschaft).

• 5. Einen Wermutstropfen gibt es: Das Steueraufkommen aus einer CO2-Abgabe wirft wenig „doppelte Dividende“ ab, ist also keine großartige Quelle zur Finanzierung von CO2 reduzierenden Maßnahmen.

• 6. Was uns zu Änderungen im Steuersystem führt: Eine Steuerreform ist nämlich eine Änderung der Steuerstruktur bei gleichbleibendem Steueraufkommen. Die Natur der CO2-Abgabe als Lenkungssteuer macht sie aber als Kompensation zum Beispiel für eine Einkommensteuersenkung nicht wirklich gut geeignet! Aber natürlich wird man bestehende Steuern, welche dieselbe Stoßrichtung haben wie die CO2-Abgaben, abschaffen müssen, um unökonomische Doppelbelastungen zu vermeiden.

• 7. Man muss also nach Alternativen suchen: Da fällt der Blick schnell auf eine der tragenden Säulen der Staatsfinanzierung, die Mehrwertsteuer. Diese hat den oft unbeachteten Nachteil, dass sie „regressiv“ ist. Das heißt vereinfacht gesagt: Die durchschnittliche Belastung mit Mehrwertsteuer ist umso höher, je mehr von einem (Haushalts-)Einkommen für die Lebenshaltung ausgegeben wird.

• 8. Also rückt doch wieder die Einkommensteuer als die zweite zentrale Säule der Staatsfinanzierung ins Bild. Sie folgt dem Leistungsfähigkeitsprinzip des Beitrags zum Gemeinwohl. Wenn aber nun von einer grundlegenden Veränderung im Steuersystem unter Einbeziehung der CO2-Abgabe gesprochen wird, dann darf in dieser Diskussion die folgende Überlegung nicht mehr ausgeblendet bleiben:

• 9. Automatisierung und die Übertragung selbst dispositiver Tätigkeiten wie zum Beispiel Pflege oder medizinische Versorgung an Roboter wird es notwendig machen, sich der Besteuerung dieser im weitesten Sinn maschinellen Leistungen anzunähern. Der Erfolg der Lenkungssteuer zieht unter den gegebenen Umständen Überlegungen zur Erweiterung der Steuerbasis von Leistungen, die der Wertschöpfung dienen, zur Aufrechterhaltung des Steueraufkommens unvermeidlich nach sich.

• 10. Zusammenfassend: Ökonomisch gesehen ist die CO2-Steuer völlig gerechtfertigt. Sie kann aber unter den dargelegten Umständen nicht als nachhaltige Quelle für die Finanzierung des Staates gesehen werden (wobei die gelegentlich eingemahnten Gerechtigkeitserwägungen hier wegen der strikt ökonomischen Perspektive außer Betracht bleiben), sondern lenkt gerade dann, wenn sie ein Erfolgsmodell werden sollte, das Augenmerk auf eine breitere Sicht der Dinge.

E-Mails an:debatte@diepresse.com

Der Autor

Dr. Wolfgang Weigel, Ao. Univ.-Prof.i.R. der Universität Wien, Leiter des Joseph von Sonnenfels Center für ökonomische Analysen des öffentl. Rechts, Lektor an der Universität Wien und an der Sigmund Freud Privat Universität.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.10.2019)

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