Gastbeitrag

Die Jungen werden es schon richten

Die Kritiker sollten sich einigen: Entweder die Schüler sollen in der Schule bleiben oder fünf Tage die Woche streiken.

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Als Beobachter der österreichischen Innenpolitik bekommt man immer mehr das Gefühl, als würde die politische Verantwortung auf die junge Generation abgewälzt werden. Nicht nur erkennt man diese Muster in Anbetracht der aktuellen „Fridays for Future“-Bewegung, sondern auch innerhalb der SPÖ nach der Nationalratswahl.

Es hat den Anschein, als hätten Politiker, aber auch Kolumnistinnen und Kolumnisten Gefallen daran gefunden, dass Noch-nicht-Wahlberechtigte und Schülerinnen für ihre Anliegen auf die Straße gehen. Die „Fridays for Future“-Bewegung trägt bereits Früchte: In vier europäischen Ländern ist der sogenannte Klimanotstand, ein Bekenntnis des Staats zu einer nachhaltigen Gesetzgebung, ausgerufen worden. Aber ist das nicht genug? Wenn es nach dem „NZZ“-Kommentator Matthias Benz ginge, nicht. In seinem Kommentar „Wo bleibt der Aufstand der Jungen, wenn Österreichs Politiker die Rentner beschenken?“, kritisiert er, dass Aktivisten der jungen Bewegung nicht auf alle Barrikaden gehen, wenn sie die sogenannten Wahlzuckerlvorhaben des Parlaments zu Gesicht bekommen. Anlass war die Erhöhung der österreichischen Pensionen um mehr als die geplante Inflationsrate von 1,8 %. So werden Pensionen ab 1. Jänner 2020 um 3,6% angehoben und verursachen damit Mehrausgaben von einer Milliarde Euro im österreichischen Budget, und damit zulasten künftiger Generationen.

Nun müssen sich die Kritiker einigen: Entweder die Schülerinnen und Schüler bleiben in der Schule, oder sie streiken fünf Tage in der Woche, weil das Parlament keine nachhaltigen Gesetze auf den Weg bringt. Beides funktioniert nicht.

Ähnliches Vertrauen kann der Politikbeobachter auch innerhalb der SPÖ erkennen. Bei der Wahl zum österreichischen Parlament erreichte die sozialdemokratische Partei ihr historisch schlechtestes Ergebnis. So haben die Jugendorganisationen beim Bundesvorstandstreffen der SPÖ direkt nach der Wahl vorzeitig das Zimmer verlassen. Grund des Protests war die zu rasche Neubestellung des neuen Bundesgeschäftsführers, Christian Deutsch. Dieser hatte zuletzt die Leitung des Nationalratswahlkampfs inne, der laut Jugendorganisationen nicht sehr erfolgreich über die Bühne ging. Außerdem forderten die sozialistischen Studierenden- und Schülerverbände „Glaubwürdigkeit vor Regierungsposten“ von der Partei. So verlangen die Jungen, dass die Wahlversprechen des Wahlkampfs die Bedingung einer neuen Koalition sein müssen. „In der Regierung zu sein ist kein Selbstzweck“, titulieren die Organisationen in einer gemeinsamen Presseaussendung noch am selben Abend.

Jungen den Vortritt lassen

Konsequenzen der Parteispitze gab es bisher nur wenige. Bundesgeschäftsführer Thomas Drozda legte vor dem besagten Bundesvorstandstreffen sein Amt nieder. Das ist für viele Beobachter inner- wie außerhalb noch zu wenig Erneuerung – denn der Funktionär behält auch nach seinem Rückzug aus dem Gremium seinen Abgeordnetensitz im österreichischen Parlament. Hintan stand auch die Vorsitzende und Sprecherin der sozialdemokratischen Jugendorganisation, Julia Herr. Ihr Sitz im Parlament wäre nur fix gewesen, wenn Ex-Minister Drozda seinen Platz für die jüngere Generation innerhalb der SPÖ freigemacht hätte. Dank der letzten ausgezählten Briefwahlstimmen zieht Herr nun aber doch in den Nationalrat ein.

Vielleicht sollte die Führungsriege der Sozialdemokraten dem Kommentator der „NZZ“ vertrauen und den Jungen den Vorzug lassen. Schließlich waren sie es, die als erste Konsequenzen und die Erneuerung der Parteiorganisation forderten. Es bleibt zu hoffen, dass die SPÖ in Zukunft die Anliegen der Jungen nicht nur an zweiter Stelle verharren lässt.

Florian Boschek ist 19, studiert Publizistik und Politikwissenschaften und engagiert sich ehrenamtlich in der „Fridays for Future“-Bewegung.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.10.2019)

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