Spectrum

Stalag XVII B Krems-Gneixendorf – das unsichtbare Lager

Sowjetische Kriegsgefangene in Krems-Gneixendorf – an unterster Stelle der Lagerhierarchie.
Sowjetische Kriegsgefangene in Krems-Gneixendorf – an unterster Stelle der Lagerhierarchie. (C) AdBIK, Sammlung Hainzl
  • Drucken

Stacheldrahtreste, Tintenfläschchen, Schuhe und Uniformknöpfe. Bei Straßengrabungsarbeiten traten Spuren des größten Kriegsgefangenenlagers der ehemaligen „Ostmark“ zutage.

Vor 75 Jahren, am 26. Oktober 1939, entstand das größte Kriegsgefangenenlager in der damaligen „Ostmark“: das Stalag XVII B Krems-Gneixendorf. In Österreich auf den ersten Blick unsichtbar und weitestgehend vergessen, entwickelte es sich in den USA dank Billy Wilder zu dem Synonym für die Gefangenschaft im „Dritten Reich“. Jährlich begeben sich Angehörige auf eine Spurensuche in diesen idyllisch auf einem Hochplateau über der Donau gelegenen Stadtteil von Krems. Und stoßen auf einige Erinnerungstafeln und Gedenksteine an der Flughafenstraße, die zu einem kleinen Sportflugplatz am ehemaligen Lagerareal führt. Auch Stacheldrahtreste, Tintenfläschchen der Schreibstube, Schuhe oder Uniformknöpfe kommen bei genauerem Hinsehen zum Vorschein. Aktuelle Grabungsarbeiten für eine Straße bringen weitere materielle Spuren in großem Maßstab zutage und werden von Archäologen gesichert. Jahrzehntelang – gleichsam subkutan – unter der Grasnarbe verborgen, aber doch immer da. Wie bei so vielen NS-Erinnerungsorten in Österreich, deren historische Dimension heute nicht mehr oder kaum erkennbar ist.

Rund einen Quadratkilometer umfasste das Gelände dieses Kriegsgefangenen-Mannschaftsstammlagers im Wehrkreis XVII, woher auch seine Bezeichnung stammt. Gegliedert in ein „Vorlager“ im Westen mit Büros für die Lagerführung, Ärzteunterkünften, Krankenrevier und Quarantänebaracken für Neuankömmlinge, ein Truppenlager für die Wachmannschaft, ein Lazarett und das eigentliche Lager für die Kriegsgefangenen. Gleich Rippen drängten sich die 40 Baracken an beide Seiten der Lagerstraße. Jeweils vier bildeten einen Sektor, vorgesehen für 400 Mann, in der Mitte durch einen Waschraum mit sechs Waschbecken unterteilt. Wachtürme und Stacheldraht umgaben das Areal. Wer den sogenannten Todesstreifen betrat, drohte erschossen zu werden. Die privilegierten US-Amerikaner in Gneixendorf verwendeten den Zaun als Wäscheleine.

Je nach Kriegsverlauf trafen neue Gefangenenkontingente ein, per Bahn nach Krems und dann zu Fuß. Die ersten und zahlenmäßig mit Abstand immer größte Gruppe war jene der Franzosen, zunächst gefolgt von den Belgiern. Anfang Oktober 1941 wurde mit rund 66.500 im Stalag XVII B registrierten Personen der Höchststand erreicht, darunter über 40.000 Franzosen, 15.000 sogenannte Südostgefangene, 4500 Belgier, 2000 Polen, einige Briten. Die meisten waren in Arbeitskommandos außerhalb des Lagers untergebracht, wo sie einen wesentlichen Beitrag für den Erhalt der Kriegswirtschaft leisten mussten.

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.