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„Opa for Future“ und andere Retter der Welt

(c) Peter Kufner
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Die Klima-Ideologie nimmt die Züge einer Pseudoreligion an, die nun auch von der katholischen Kirche vertreten wird.

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Wenn man den Propagandisten der Klimabewegung glauben wollte, befindet sich die Welt in einer Endzeit. „Stirbt der Amazonas, stirbt die Welt“, wurde bei der gleichnamigen Kirchensynode in Rom gesagt. Nur noch eine radikale Umkehr kann den Planeten und uns mit ihm retten. Der Untergang ist nahe, wenn wir ihn noch aufhalten wollen, müssen wir das Äußerste tun. Es brauche einen „tiefgreifenden Wandel“ weg vom „gegenwärtigen Gesellschaftssystem“, das auf der „Logik von Profit, Wachstum und Ausbeutung“ beruhe, verlangt die Vorsitzende der Katholischen Frauenbewegung.

Der Kapitän Carola Rackete (mit einem Luxus wie der gendergerechten Sprache kann sie sich wegen des Ernsts der Stunde nicht aufhalten), die Heroine der Bewegung, wird deutlicher: Wir müssten unsere Lebensweise „grundlegend ändern“ und eine „Transformation des kapitalistischen Systems“ anstreben. Ob der Sozialismus, der uns nach dem Wunsch der Katholikin und der Kapitänin dann blüht, imstande ist, jene Mittel und Methoden bereitzustellen, die für eine effektive Bekämpfung des Klimawandels gebraucht werden, muss man angesichts der historischen Erfahrungen bezweifeln.

In der Praxis nimmt sich die „grundlegende Änderung“ des Lebensstils dann ziemlich bieder und bescheiden aus: „Der Standard“ hat vier Familien vorgestellt, die versuchen, ein ökologisch exemplarisches Leben zu führen. Die Weisen eines solchen Lebens sind bei allen ungefähr dieselben: Man hat kein Auto oder doch; man macht keine Flugreisen; man verwendet keine Plastiksackerln; man isst vegan oder zumindest wenig Fleisch; man zieht sein eigenes Gemüse, wozu man allerdings einen Garten besitzen muss; in den strengeren Fällen gibt es eine „Wurmkiste für Bio-Abfall“, verwendet man Stoffwindeln und Waschnüsse und keine Putzmittel oder nur selbst gemachte. Auch mit „selbst angerührten“ Kosmetika kann man sich schön machen, erfahren wir. Irgendwelche Kompromisse macht aber jeder.

Für das Foto im „Standard“ posiert der 80-jährige Peter mit einem Schild „Opa for Future“. Eine der Töchter einer Familie hat schon die einschlägigen Berufe der Zukunft für sich gewählt. Sie studiert Umweltpädagogik, hat eine Ausbildung zur Grünen-Kosmetik-Pädagogin (so etwas gibt es anscheinend) absolviert und ist als „Umweltkommunikatorin“ tätig. Man sollte das alles nicht sektiererisch nennen, die Leute gehen bürgerlichen Berufen nach und machen einen durchaus fröhlichen Eindruck. Ihr Bemühen ist aber von edler Vergeblichkeit und würde, auch wenn massenhaft befolgt, am Gang der Welt nichts ändern. Von der radikalen Abkehr vom „gegenwärtigen Gesellschaftssystem“, die sich Rackete und die Katholische Frauenbewegung wünschen, kann jedenfalls nicht die Rede sein.

»Sicheres Zeichen, dass einer kein Künstler ist: Wenn er das Gerede von der „Endzeit“ mitmacht.
Peter Handke«

Die „Rettung des Klimas“ ist ein moralischer Imperativ, der unwiderleglich ist. Eine Debatte darüber darf nur als Betroffenheitsritual und als Zustimmung zu den Untergangsszenarien von Apokalyptikern stattfinden. Das absurde Wort „Klimaleugner“ bezeichnet den höchsten Grad von Verwerflichkeit, es kommt einem absoluten Verdammungsurteil gleich. Der Begriff ist nicht zufällig derselbe, der für die Leugner historischer Tatsachen verwendet wird („Holocaust-Leugner“). Ein Professor an der Grazer Musikuniversität hat vor einiger Zeit konsequenterweise die Todesstrafe für solche Leute verlangt. Der Uni war das peinlich, sie hat sich davon distanziert.

Aber wenn es um Sein oder Nichtsein der Menschheit geht, muss (oder darf ) man eben radikal sein.

Die Klima-Ideologie ist zu einer Pseudoreligion geworden, das zeigt das kirchliche Vokabular, das ihre Vertreter verwenden. Obwohl es das sonst im aufgeklärten Denken nicht mehr geben darf, ist da viel von Sünde die Rede, Schuldbekenntnisse müssen abgegeben und Bußübungen vollzogen werden: „Eine Klimasünderin will sich bessern“, schrieb eine deutsche  Zeitung und brachte den Bericht der Sünderin, die vermutlich eine Redakteurin der Zeitung selbst war. Er beginnt mit einer dramatischen Schilderung: „Der Ozean kommt näher, jeden Tag ein bisschen mehr. Das Salzwasser unterspült Häuser, macht den Boden unwirtlich und zerstört Stück für Stück eine ganze Kultur. Die Marshallinseln versinken im Meer. Millionen Menschen sind von Dürren und Hunger bedroht. Die Folgen des vom Menschen gemachten Klimawandels treffen  am stärksten die Ärmsten (. . .) und schuld daran bin ich durch mein Konsumverhalten.“ Man könnte das eine Art von moralischem Größenwahn nennen.

Aber man kann sich wie beim Ablasshandel von seinen Sünden freikaufen: Man müsse nur „einfach weniger Geld ausgeben“. Allein eine Reduzierung der Monatsausgaben von 450 Euro auf 350 Euro erspare 900 kg CO2 (jährlich), hat die Sünderin ausgerechnet. Eine besondere Leistung für das Klima ist das „Klimafasten“. Dabei geht es darum, weniger mit dem Auto zu fahren und das dann für einen Beitrag zur Rettung der Welt zu halten. Es wird von den Kirchen und Deutschland und Österreich propagiert und ist für die Fastenzeit gedacht, findet aber offensichtlich wenig Zuspruch, denn man merkt kein Nachlassen des Straßenverkehrs in dieser Zeit.

Die Kirche lässt sich mitreißen

Auch die katholische Kirche hat sich von der Klima-Apokalyptik mitreißen lassen und meint wohl, damit irgendwie Anschluss an die Gegenwart und die Stimmung der Zeit zu finden. Man hat zwar keine Neupriester mehr, dafür aber unbedingt einen Umweltschutzbeauftragten oder besser noch eine Umweltschutzbeauftragte. Pfarren veranstalten läppische Aktionen, wie die Kirchenuhren für 24 Stunden anzuhalten, oder lassen die Glocken fünf Minuten vor zwölf läuten, weil es „fünf vor zwölf ist“. Bischöfe hängen sich begeistert an Fridays for Future an und kirchliche Organisationen möchten Greta Thunberg allen Ernstes zu einer Heiligen erklären.

In manchen Kirchen sieht man noch das Holzkreuz der jüngsten Volksmission vor einigen Jahrzehnten, auf dem die Aufforderung zu lesen steht: „Rette Deine Seele“. Gäbe es heute noch eine Volksmission, würde auf dem Erinnerungskreuz wohl stehen: „Rette das Klima“, denn die Kirche sorgt sich nicht mehr um  das ewige Heil des Menschen, sondern um die angebliche Rettung der Erde. Die „Bewahrung der Schöpfung“ gilt nun als der eigentliche Auftrag des Christentums, als der „Ernstfall des Glaubens“.

Vor der Amazonas-Synode sagte der Erzbischof von Wien voll ergriffen von Klimabegeisterung, „Es geht um die Zukunft des Planeten“, demgegenüber seien die innerkirchlichen Fragen „sekundär“. Nach der Rückkehr aus Rom klang es dann anders. Da war dann doch wieder die Frage der Viri probati und des Zölibats primär. Der Weltuntergang kommt eben doch nicht so schnell, und bis dahin muss die Kirche überleben. Eine Kirche, die weiß, dass die Welt nicht von uns, sondern vom wiederkehrenden Christus gerettet wird.

DER AUTOR

Hans Winkler war langjähriger Leiter der Wiener Redaktion der „Kleinen Zeitung“.

Debatte@diepresse.com

E-Mails an: debatte@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.11.2019)

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