Gastkommentar

Zur Wahl steht Amerikas wirtschaftliche Zukunft

(c) Peter Kufner
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Was Donald Trump und seine demokratischen Herausforderer wirtschaftlich wollen – abseits von Gefühl und Ideologie.

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In einem Jahr werden die USA ihren nächsten Präsidenten wählen. Das Ergebnis wird sich weltweit in einer Reihe von Sphären niederschlagen. Doch basieren die meisten Diskussionen über die wirtschaftspolitischen Vorschläge der Kandidaten bisher mehr auf Gefühlen oder Ideologie als auf gründlicher Analyse.

Wenn es nicht zu einer unvorhergesehenen Katastrophe kommt, wird die Wirtschaftsentwicklung bei der Wahl eine große Rolle spielen. Bleibt die Konjunktur stark, hat Präsident Donald Trump gute Chancen, wiedergewählt zu werden. Doch die Risken wachsen. Falls sie sich verwirklichen, würde ein Trump-Sieg unwahrscheinlicher. Laut Moody's Analytics würde es einen Konjunktureinbruch – oder eine ungewöhnlich hohe Wahlbeteiligung bei den Demokraten, aber nicht bei den Republikanern – erfordern, dass Trump 2020 verliert.

Da der anfängliche Favorit um die Nominierung der Demokraten, der gemäßigt linke Ex-Vizepräsident Joe Biden, inzwischen gegenüber der weit links stehenden US-Senatorin Elizabeth Warren an Boden verliert, könnten Trumps Erfolgschancen im Anstieg begriffen sein. Andererseits wurde bei der Wahl 1980 der konservativste republikanische Kandidat, (der von mir beratene) Ronald Reagan, ebenfalls als unwählbar etikettiert.

Falls Trump im Amt bestätigt wird, ist nicht zu erwarten, dass er in allen Fällen eine traditionell konservative Wirtschaftspolitik verfolgt, so wie er es etwa beim Tax Cuts and Jobs Act von 2017 getan hat, der den US-Körperschaftsteuersatz an den OECD-Durchschnitt anpasste. Aufgrund von Andeutungen Trumps und seiner Berater ist jedoch zu erwarten, dass er eine weitere Runde Regulierungs- und Steuerreformen verfolgen wird.

Die demokratischen Präsidentschaftskandidaten dagegen befürworten eine Ausweitung des sozialen Netzes, angefangen mit dem Gesundheitswesen. Während einige auf Präsident Barack Obamas Affordable Care Act von 2010 aufbauen möchten – den „aufzuheben und zu ersetzen“ Trump und die Republikaner im Kongress nicht geschafft haben –, hoffen andere, die privaten Krankenversicherungen, von denen zwei Drittel der Amerikaner abhängig sind, ganz abzuschaffen.

Anstelle einer privaten Krankenversicherung planen Demokraten wie Warren und Senator Bernie Sanders, eine staatliche Einheitsversicherung einzuführen. Die Kosten beliefen sich Schätzungen zufolge allein in den ersten zehn Jahren auf 30 Billionen Dollar. Sanders würde Steuern erhöhen; Warren versucht, sich um eine Aussage herumzudrücken. Angesichts des Preisschildes hätte dies massive Anhebungen der Einkommensteuer oder der Sozialabgaben oder eine regressive Mehrwertsteuer europäischen Stils zur Folge. Dies ginge zulasten der Mittelschicht und würde die wirtschaftlichen Anreize abschwächen.

Doch das ist nicht alles: Die Demokraten planen, teure Subventionen, Steuererleichterungen, Ausgabeerhöhungen, Schuldenerlasse und andere Geschenke einzuführen, und sie behaupten, dass sich diese Vorschläge weitgehend durch Steuererhöhungen für die reichsten Amerikaner finanzieren ließen. Biden will die Kapitalertragsteuer verdoppeln, Warren würde den Spitzensteuersatz der Einkommensteuer von 37 auf 70 Prozent erhöhen, und beide favorisieren neue Vermögensteuern, die sogar von den meisten nordischen Ländern inzwischen abgeschafft wurden. Doch ihre Berechnungen gehen nicht auf, und zwar zumindest um eine Größenordnung.

In einem Bereich wollen sowohl Trump als auch die Demokraten mehr ausgeben: für die Infrastruktur. Die Reparatur und Wartung von Straßen, Häfen und Flughäfen fällt teils in die Verantwortung des Bundes, doch die einzelstaatliche, kommunale und private Finanzierung sollten ausgeweitet werden. Weder Trump noch einer der demokratischen Kandidaten hat hierfür bisher einen ernsthaften Plan vorgelegt. Da keine der beiden Parteien sich auf ihre Haushaltsverantwortung konzentriert, bedeuten die wachsenden, nicht gegenfinanzierten Verbindlichkeiten von Sozialversicherung und Medicare, dass den Amerikanern deutlich schädlichere Steuererhöhungen oder drakonische Ausgabenkürzungen drohen.

Unterschiedlichere Positionen gibt es bei der staatlichen Regulierung. Trump hat dem Zurückdrehen der überzogenen Regulierung der Obama-Ära Priorität eingeräumt. Auch wenn Gerichte einigen Bemühungen einen Riegel vorgeschoben haben (wie sie das auch bei Obama taten), hat er Maßnahmen in den Bereichen Energie und Umwelt, Gesundheit und im Finanzsektor, die den Republikanern zu kostspielig erschienen, abgeschwächt oder aufgehoben.

Die Demokraten wollen das Gegenteil. Einige befürworten eine stärkere Regulierung von sowie die Durchsetzung von Kartellbestimmungen gegenüber großen Technologieunternehmen; Sanders und Warren sind für die Aufspaltung der größten Unternehmen des Sektors. Alle unterstützen den zehn Billionen Dollar teuren, wirtschaftlich, naturwissenschaftlich und numerisch widersinnigen grünen New Deal oder sogar noch radikalere Pläne. Es wäre zu erwarten, dass ein demokratischer Präsident die Finanzregulierung verschärft und potenziell radikale Änderungen beim Unternehmensrecht einführt.

Beim Handel hat Trump hohe Priorität darauf gelegt, Dynamiken zu ändern, die er für unfair hält. Darum hat er eine Überarbeitung des Nordamerikanischen Freihandelsabkommens (Nafta) ausgehandelt, die noch vom Kongress ratifiziert werden muss, und höhere Zölle gegen China verhängt.

Wer wird Fed-Chef?

Jedoch bremst der von Trump im letzten Jahr begonnene Handelskrieg gegen China die Investitionstätigkeit und dämpft die positiven Auswirkungen seiner Steuer- und Regulierungsreformen. Zum Glück haben die USA und China zuletzt eine vorübergehende Einigung erreicht, die vorerst weitere Zollerhöhungen verhindert. Die Demokraten kritisieren Trumps Ansatz häufig, schlagen aber selbst keine weitere Handelsliberalisierung vor.

Eine letzte Frage ist, wen die US-Präsidentschaftskandidaten als nächsten Chef der US Federal Reserve ernennen würden. Trump – der Chairman Jerome Powell wiederholt kritisiert hat, weil er eine zu geringe Lockerung der Geldpolitik verfolge – würde vermutlich einen einer derartigen Politik zuneigenden Kandidaten auswählen.

Ein links stehender Demokrat könnte angesichts der Faszination der Linken für riskante Ideen, die enorme Mengen notenbankfinanzierter Schulden propagieren, dasselbe tun. Man könnte Powell im Amt bestätigen oder einen gemäßigten Ökonomen wie den ehemaligen stellvertretenden Chairman der Fed Alan Blinder oder den früheren Finanzminister Larry Summers auswählen.

Da das Kandidatenfeld noch immer groß ist, scheinen Anleger und Finanzmärkte auf stärkere Signale bezüglich der politischen Zukunft und der beträchtlichen, aber unterschiedlichen wirtschaftlichen und finanziellen Risken zu warten, die mit einem Sieg des jeweiligen Kandidaten verbunden wären.

Aus dem Englischen von Jan Doolan.

Copyright: Project Syndicate, 2019.

E-Mails an:debatte@diepresse.com

DER AUTOR

Michael J. Boskin
(* 1945 in New York) studierte Wirtschaftswissenschaften in Berkeley. Derzeit ist er Professor für Ökonomie an der Universität Stanford und Senior Fellow der Hoover Institution. Von 1989 bis 1993 war er Chef des wirtschaftlichen Beraterstabs des damaligen amerikanischen Präsidenten George Bush senior.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.11.2019)

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