Gastkommentar

Der grüne Deal braucht rote Tupfer

Der „Green Deal“ der EU-Kommission muss sozial sein, aber ohne dass die Steuerquote erhöht wird.

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Die neue EU-Kommission forciert einen europäischen Green Deal. Das ist gut für Europa und für das Weltklima. Obwohl Europa nicht der größte Verschmutzer ist, sterben auch hier mehr Menschen durch Luftverschmutzung als durch die Straßenunfälle. Und wir haben bisher die Atmosphäre mit CO2 und die Meere mit Plastik angefüllt. Österreich hat seine Vorreiterstelle dem Slogan „Nichts früher machen als die Chinesen“ geopfert und wird in Madrid abgemahnt. Von den neuen Mitgliedern kann man keinen raschen Umstieg erwarten; von Südeuropa zumindest die Nutzung von Sonne und Wind.

Die Kosten werden als hoch bezeichnet, Europa ist vorsichtig, damit die Konkurrenzfähigkeit nicht verloren geht. Das stimmt nicht oder nicht ganz. Neue Technologien bringen mehr und angenehmere Arbeitsplätze. Die Lebenserwartung steigt. Grüne Ambitionen sind auch sozial, denn die sinkende Luftqualität trifft die, die schlecht wohnen, schmutzig heizen, wenig auf Urlaub fahren. Auch insgesamt sinken Gesundheitskosten und Gebäudeschäden.

Dennoch gibt es Einstiegskosten. Der öffentliche Verkehr muss besser werden – Busse und Lokalbahnen müssen öfter und länger fahren –, Elektrotanken bei jedem Supermarkt, Firmenparkplatz möglich sein. Mit Solarpaneelen soll man auch Nachbarn versorgen können und müssen. Lehrer und Automechanikerinnen umlernen. Viele denken dann an eine kleine neue Steuer. Manche mit Schmerz, andere mit Freude: Endlich ist wieder ein Grund für höhere staatliche Investitionen gegeben. Die dumme neoliberale Forderung nach niedrigeren Abgaben kann entsorgt werden. Der Neoliberalismus ist ja schuld, dass wenig getan wurde.

Aber diese kleine neue Steuer und neue Verbote sind auch der Grund, warum Menschen skeptisch sind. Deswegen bedrohen Gelbe Westen den ehemaligen Jungstar Macron, Sozialdemokraten werden zur Kleinpartei – und alle versuchen, Haushaltshilfen und Reparaturen schwarz durchzuschwindeln. Neue Belastungen sind auch nicht Voraussetzung für neue Projekte, notwendig sind Einsparungen bei falschen Prioritäten. In der Bürokratie, bei Subventionen für Großbauern ist der Rotstift gefordert. Die Regulierungswut muss eingebremst werden.

So wird er zum Reformturbo

Europa hat höhere Subventionen für fossile Energie als für Erneuerbare. Der größte Teil des EU-Budgets geht in landwirtschaftliche Großbetriebe, deren Überschüsse exportiert werden und Migrationswellen mitverursachen. Flächenverbrauch ist gratis, Umwidmung und Zersiedelung sind für Gemeinden profitabel. Leerstand in den Zentren wird akzeptiert.Der Kompetenzdschungel zwischen Bezirk, Land und Bund wird multipliziert durch Doppelregulierungen der EU. Unwichtige EU-Dokumente werden in 20 Sprachen übersetzt. Wenn eine Trafik Kaffee und Bier ausschenkt, wird sie angezeigt. Ein Gastwirt darf keine Lebensmittel verkaufen. Krankenschwestern dürfen auch dort nicht helfen, wo sie besser als Ärzte sind. Rauchfangkehrer reparieren keine Heizungen und geben keine Spartipps. Das Fliegen ist auch für Kurzstrecken steuerbefreit, wo die Bahn schneller ist und ins Zentrum fährt.

Ein europäischer Grüner Deal muss sozial und steuerschonend sein. Er ist eine Gelegenheit, Ballast abzuwerfen, Freiräume zu öffnen, Steuern zu senken, die Arbeitsplätze kosten. Dann wird er zum Reformturbo. Er wird angenehmere Jobs schaffen und Wohnen und Gesundheit für weniger Begüterte verbessern. Gesunde, vielleicht auch kürzere Arbeit ist möglich. Und Europa wird wettbewerbsfähig und ein Vorzeigemodell in der neuen Weltordnung.

Karl Aiginger (*1948) ist Leiter der Querdenkerplattform Wien   (www.querdenkereuropa.at) und lehrt an der WU Wien.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.12.2019)

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