Gastbeitrag

Gedanken zu Trumps „Jahrhundertdeal“

(c) Peter Kufner
  • Drucken

Donald Trumps Nahost-Plan bedeutet einen Bruch mit bisherigen Friedensbemühungen und der US-Nahost-Diplomatie.

Gastkommentare und Beiträge von externen Autoren müssen nicht der Meinung der Redaktion entsprechen.

>>> Mehr aus der Rubrik „Gastkommentare“

Vergangenen Dienstag stellte US-Präsident Donald Trump seinen als „Jahrhundertdeal“ angekündigten Plan zur Lösung des israelisch-palästinensischen Konfliktes vor. Die Initiative zielt nach eigenen Angaben auf die Realisierung einer Zwei-Staaten-Lösung, welche seit Beginn des Nahost-Friedensprozesses Anfang der 1990er-Jahre im Zentrum der von den USA geförderten Friedensbemühungen steht.

Damit soll die Sicherheit Israels, das in seiner noch jungen Geschichte mit vielen sicherheitspolitischen Herausforderungen und Terroranschlägen zu kämpfen hatte, in anerkannten Grenzen gewährleistet werden. Gleichzeitig sollen die palästinensischen Bestrebungen nach einem eigenen Staat erfüllt werden.

Trotz des formellen Bekenntnisses zur Zweistaatenlösung zeugt der Nahostplan von einem weitreichenden Bruch mit Grundfesten bisheriger Friedensbemühungen. Die Rolle von internationalem Recht und einschlägigen Resolutionen der Vereinten Nationen als Richtschnur für die Konfliktregelung wird relativiert und sogar missachtet, inklusive des Verbots der gewaltsamen Aneignung von Territorium.

Gleichzeitig wird die territoriale Verhandlungsgrundlage für eine Konfliktregelung neu definiert. In vorangegangenen Friedensbemühungen dienten die Waffenstillstandslinien (die sogenannte Grüne Linie) von vor dem arabisch-israelischen Krieg von 1967 als Ausgangsbasis für Verhandlungen. Im Krieg von 1967 besetzte Israel unter anderem das von Palästinensern bewohnte Westjordanland, den Gazastreifen sowie Ost-Jerusalem. Trumps Nahostplan, der als Ausgangspunkt für Verhandlungen deklariert wird, ohne dafür einen Mechanismus zu etablieren, sieht dagegen lediglich 70 Prozent des Westjordanlandes für einen künftigen Palästinenserstaat vor. Gleichzeitig darf Israel seine Souveränität auf bisher errichtete Siedlungen sowie das Jordantal im Westjordanland ausweiten. Auch zentrale Viertel Ost-Jerusalems, das die Palästinenser als ihre zukünftige Hauptstadt beanspruchen, fallen unter die Souveränität Israels. Im Gegenzug würden den Palästinensern israelische Gebiete entlang der Grenze zu Ägypten zugesprochen und ihr Gebiet würde weiter in Enklaven zerfallen.

Es überwiegt die Skepsis

Auch wenn die Möglichkeit zum Landtausch nicht neu ist, bleibt der Plan in Bezug auf territoriale Fragen weit hinter palästinensischen Vorstellungen zurück. Dies gilt auch für andere sogenannte Endstatusfragen, die von den Konfliktparteien zu klären sind, wie etwa die Flüchtlingsfrage. Andere Aspekte des Planes, wie die Forderung eines, zumindest temporären, israelischen Siedlungsstopps oder die vorgeschlagenen wirtschaftlichen Maßnahmen, treten dadurch in den Hintergrund.

Ehemalige US-Diplomaten mit einschlägiger Nahost-Erfahrung begegnen der als einseitig wahrgenommenen Initiative mit scharfer Kritik. Daniel C. Kurtzer, vormals US-Botschafter in Israel und Ägypten, wertete sie als den Versuch, unnütze Ideen als innovativ zu verkaufen. Martin Indyk, ein weiterer ehemaliger US-Botschafter in Israel, warnt, dass der Plan keinen Raum für einen lebensfähigen Palästinenserstaat lässt. Laut Dan Shapiro, US-Botschafter in Israel unter Präsident Barack Obama, wird kein zukünftiger demokratischer Präsident diesen Plan unterstützen. Auch in der EU und in vielen ihrer Mitgliedstaaten überwiegt die Skepsis.

Ungewohnte Wege wurden bereits bei der Erarbeitung des Nahost-Planes bestritten, mit der ein Team aus engen Vertrauten Trumps unter der Leitung seines Schwiegersohns, Jared Kushner, betraut wurde. Das US-Außenministerium blieb dagegen weitgehend außen vor. Palästinensische Vertreter registrierten zum Start der Initiative bereits mit Skepsis, dass die Verantwortlichen des US-Nahost-Planes über keine nennenswerte diplomatische Erfahrung verfügen. Aus Skepsis wurde offene Ablehnung, als die Trump-Administration im Frühjahr 2018 die Verlegung der amerikanischen Botschaft von Tel Aviv nach Jerusalem ankündigte. Die palästinensische Führung sah darin eine Stärkung der Forderung der israelischen Regierung, Jerusalem als unteilbare Hauptstadt Israels zu etablieren. Palästinenserpräsident Mahmud Abbas weigerte sich fortan, das Team von Jared Kushner zu treffen. Die US-Regierung stellte dagegen 2018 ihre langjährige finanzielle Unterstützung für palästinensische Flüchtlinge ein und stoppte Anfang 2019 auch seine finanzielle Unterstützung für die Palästinensische Autonomiebehörde.
Gleichzeitig arbeitete die US-Diplomatie an einer Allianz aus arabischen Golfstaaten, Ägypten und Jordanien, die auch den Nahost-Plan unterstützen sollte. Die arabischen Golfstaaten, die wie Israel Irans Einfluss in der Region mit Sorge betrachten, haben ihre Beziehungen zu Israel verbessert. Ägypten und Jordanien haben Friedensverträge mit Israel. US-Präsident Trump wertete es als einen wichtigen Erfolg, dass sich nach Veröffentlichung seines Nahost-Planes eine Reihe von arabischen Staaten für einen Dialog zwischen den Konfliktparteien aussprach. Der Wunsch nach guten Beziehungen mit Washington und die geringen Erfolgsaussichten der Initiative machen es wenig opportun, sich offen gegen die Initiative zu stellen. Insgesamt war die Reaktion arabischer Staaten jedoch verhalten. Bei der Vorstellung des Planes im Weißen Haus waren mit den Botschaftern von Oman, Bahrain und den Vereinigten Arabischen Emiraten lediglich drei von 22 Mitgliedern der Arabischen Liga vertreten.

Annexion ist keine Lösung

Die US-Vorschläge sind zu weit von einer realistischen Verhandlungsposition entfernt, um als Grundlage für einen neuen Verhandlungsanlauf zu dienen. Gleichzeitig bergen sie jedoch ernst zu nehmende Risiken, gerade wenn sie als Freibrief für unilaterale Schritte verstanden werden. Gleich nach der offiziellen Vorstellung des Nahost-Planes verkündete Israels Premier Benjamin Netanyahu seinem Kabinett zügig Pläne zur Annexion von Teilen des Westjordanlandes vorzulegen. Anfang März sind Parlamentswahlen in Israel, was Spekulationen nährt, Netanyahu könne versuchen, sich mit seiner Ankündigung einen innenpolitischen Vorteil zu verschaffen. Die US-Regierung machte im Gegenzug deutlich, dass über solche Schritte erst nach der Bildung einer neuen israelischen Regierung entschieden werden soll.

Kommt es in Folge des US-Planes tatsächlich zu einer Annexion von Teilen des Westjordanlandes, wird der Zweistaatenlösung, die bereits in weite Ferne gerückt ist, die Grundlage entzogen. Verlieren die Palästinenser ihre Hoffnung auf einen eigenen Staat, könnten ihre nationalen Bestrebungen der Forderung nach gleichen Rechten in einem gemeinsamen demokratischen Staat weichen, in dem jüdische Staatsbürger dann keine Mehrheit mehr hätten. Der vormalige US-Präsident Barack Obama drückte es einmal so aus: Scheitert eine Zweistaatenlösung, kann Israel nicht länger beides sein, ein jüdischer Staat und eine liberale Demokratie.

E-Mails an: debatte@diepresse.com

Der Autor

Patrick Müller ist Professor für Europäische Studien an der Uni Wien und der Diplomatischen Akademie. Er forscht zur Außenpolitik der EU, mit Schwerpunkt auf dem Nahen Osten. Weitere berufliche Stationen waren die Universität von Bilbao, die Johns Hopkins Universität in Washington sowie die Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin.

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.