Gastkommentar

Im Kampf gegen Krebs müssen wir Europas Ressourcen bündeln

"In Österreich sterben jedes Jahr mehr als 20 000 Menschen an Krebs. Wenn wir nichts unternehmen, wird sich die Zahl der Krebsfälle in der EU bis 2035 voraussichtlich verdoppeln", schreibt EU-Kommissarin Stella Kyriakides.

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Jeden Tag werden in Europa neue Fälle von Krebs diagnostiziert. Jeden Tag trifft diese Diagnose Betroffene, Angehörige und Freunde mit voller Wucht – sie fühlen Ungewissheit über die Zukunft, Angst, Trauer, Wut oder auch Hoffnungslosigkeit.

Krebs ist eine schwere Erkrankung, mit der 40 % der Menschen in der EU irgendwann in ihrem Leben unmittelbar zu tun haben. In Österreich sterben jedes Jahr mehr als 20 000 Menschen an Krebs. Wenn wir nichts unternehmen, wird sich die Zahl der Krebsfälle in der EU bis 2035 voraussichtlich verdoppeln. Ein alarmierender Trend, den wir umkehren müssen, wenn unsere Familien, unsere Gesundheits- und Sozialsysteme und unsere Wirtschaft nicht noch stärker durch Krebserkrankungen belastet werden sollen.

Das durch Krebs verursachte Leid zu verringern, das hat für mich als EU-Kommissarin für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit und für die Kommission unter Präsidentin von der Leyen oberste Priorität. Die Menschen in Europa erwarten das von uns. In diesem Bereich müssen und können wir mehr erreichen und bessere Ergebnisse liefern.

Für mich gibt es nur einen wirklich erfolgversprechenden Weg bei der Krebsbekämpfung: den gemeinsamen, europäischen Weg. Ich sehe ein enormes Potenzial für Veränderungen. Dieses können wir jedoch nur gemeinsam nutzen, wenn politische Entscheidungsträger, Beschäftigte im Gesundheitsbereich, Patientenvertretungen und die Industrie ihre Anstrengungen bündeln und vor allem auch die Bürgerinnen und Bürger einbeziehen. Heute wissen wir, dass bis zu 40 % der Krebserkrankungen vermeidbar sind. Das zeigt, dass es einen enormen Handlungsspielraum und ein riesiges Potenzial zur Rettung von Menschenleben gibt.

Genau diesen gemeinsamen Handlungsspielraum und dieses Potenzial möchte ich durch den neuen europäischen Plan zur Krebsbekämpfung aktiv nutzen. Krebs ist eine komplexe Erkrankung, die wir aus ganz unterschiedlichen Perspektiven betrachten müssen: Ernährung, Verfügbarkeit von Medikamenten, richtige Behandlung, geeignete Technologie und Einbeziehung von Sektoren und Industriezweigen außerhalb des Gesundheitswesens, wie beispielsweise Bildung, Umwelt, Landwirtschaft und Forschung. Alle Akteure aus sämtlichen Bereichen müssen ihren Beitrag leisten.

Mit dem europäischen Plan zur Krebsbekämpfung setzen wir in allen Stadien der Krankheit an, von Prävention über Erkennung, Behandlung und Heilung bis hin zur Palliativversorgung.

Wir müssen Krebserkrankungen besser vorbeugen und sie früher erkennen. Vorsorge ist immer besser als Heilung und wir müssen in erster Linie dafür sorgen, dass unsere Bürgerinnen und Bürger erst gar nicht zu Krebspatienten werden. Wenn wir die Menschen dabei unterstützen, ein gesünderes Leben zu führen – gesünder zu essen, sich mehr zu bewegen und gleichzeitig weniger Alkohol zu trinken und nicht zu rauchen –, dann können wir die Zahl der Neuerkrankungen senken. Und wenn wir auf einen umfassenderen Impfschutz hinarbeiten und uns beispielsweise auf die Verbesserung der Luftqualität in unseren Städten konzentrieren, können wir weitere Fortschritte erzielen.

Wenn es uns gelingt, den Bürgerinnen und Bürgern den Nutzen von Krebsvorsorgeuntersuchungen und Früherkennung besser zu vermitteln, können wir weitere Leben retten. Dazu müssen alle Länder eigene Screening-Programme mit zertifizierten Stellen schaffen.

Auch wenn wir uns schwerpunktmäßig dafür einsetzen sollten, dass die Menschen gar nicht erst an Krebs erkranken, müssen wir auch gewährleisten, dass Betroffene und ihre Angehörigen die Unterstützung und Versorgung bekommen, die sie brauchen. Dazu zählt das grundlegende Recht auf gleichberechtigten Zugang zu medizinischer Versorgung und innovativen Behandlungsmethoden.

Mit dem Ende der Behandlung ist das Thema Krebs für die Betroffenen jedoch nicht abgeschlossen. Wer die Erkrankung überlebt oder mit ihr lebt, braucht wieder Struktur und Sicherheit im Leben. Die Betroffenen sollten nicht diskriminiert, stigmatisiert oder an der Rückkehr an den Arbeitsplatz gehindert werden.

Wir müssen alle Teile dieses Mosaiks so zusammensetzen, dass wir das gesamte Bild klar erkennen können. Den ersten Schritt auf diesem gemeinsamen Weg tun wir heute. Ich freue mich darauf, die Vorschläge und Sorgen der Bürgerinnen und Bürger aus Österreich zu hören und gemeinsam mit den österreichischen Behörden Veränderungen zum Besseren herbeizuführen. Im Kampf gegen Krebs erreichen wir gemeinsam deutlich mehr als allein.

Die Autorin:
Stella Kyriakides ist seit Dezember 2019 EU-Kommissarin für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit.

Stella Kyriakides
Stella KyriakidesAPA/AFP/ARIS OIKONOMOU

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