CC BY 4.0 oder: Ein Stuhl steht in London

Gesucht: Strategien für einen Wandel zur Kreislaufwirtschaft. Was für den Kunsttischler Thomas Chippendale im 18. Jahrhundert Usus war, sollten wir als Blaupause für die Gegenwart heranziehen.

Am Tag des Brexit zeigte sich der Flughafen Heathrow schon mit neuer Orientierungsgrafik. Der ursprünglich als Europa Terminal (Frederick Gibberd, 1955) errichtete Flughafenteil wurde 2014 in zeitgemäßer und großzügiger Flughafentransparenz (Luis Vidal + Architects) neu eröffnet. Wo früher ein innereuropäischer Grenzübergang kontrolliert wurde, prangt jetzt ein gigantisches, blaues Leuchtschild über die gesamte Länge des Raums: „UK Border“. Beeindruckend selbstbewusste Typografie mit klarer Botschaft. Nichts Kleingedrucktes, keine Hinweispfeile, keine Fahne. Reisende mit europäischen und sonstigen Pässen reihen sich in eine Warteschlange ein. Nach erträglicher Wartezeit steht man vor einer künstlichen Intelligenz. Es geht wahrscheinlich deshalb so schnell, weil die automatisierten Grenzbeamten noch nicht so gesprächig wie ihre menschlichen amerikanischen Kollegen sind. Aber ein Chat mit einem Roboter wird nicht mehr lange auf sich warten lassen.

Nach dem Scan von Gesicht und Pass öffnet sich die Glasschleuse. Der letzte Tag auf britischem Boden in der Europäischen Union beginnt. Am Abend werden vor dem Parlament die Fahnen geschwungen werden, europafeindliche Reden gebrüllt, und in der Downing Street 10 werden auf die schwarze Ziegelfassade der Union Jack und ein Countdown projiziert werden. Als letzte Machtgeste beginnt die neue Zeitrechnung nicht um Mitternacht, sondern um 11 p. m. Ortszeit. Immer schon hat es Übergangsriten bedurft, auch wenn diese heute eher über die Abendnachrichten ihre symbolische Wirkung entfalten müssen. Design als Propaganda und Werkzeug der Selbstversicherung einer gespaltenen Gesellschaft. Die englische Ritualforscherin Mary Douglas hat es treffend formuliert: Rituale sind Brücken und Mauern.

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