Gastbeitrag

Es ist ein Fehler, sich von Aktien abzuwenden

Kurzfristige Schwankungen des Kapitalmarkts, wie aktuell ausgelöst durch das Coronavirus sind nicht alltäglich. Wichtig ist die richtige Strategie.

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Eine der langfristigen Konstanten der jüngeren Geschichte in Friedenszeiten ist stetiges Wirtschaftswachstum. Über freie Kapitalmärkte kann sich jeder an börsenotierten Unternehmen, den größten Produzenten dieses Wachstums, beteiligen. Schwankungen sind jedoch alltäglich. Da Kapitalmärkte neben Substanzwerten auch Erwartungen spiegeln, schwanken sie stärker als das Wirtschaftswachstum. Dieser Tage schürt das Coronavirus viele Ängste an den weltweiten Börsenmärkten.

Christoph Boschan im "Presse"-Podcast:

Noch mehr Wirtschaft und Coronavirus gefällig? Anna-Maria Wallner spricht in der aktuellen Podcast-Folge mit Wiener-Börse-CEO Christoph Boschan und Bloomberg-Wien-Büroleiter Boris Groendahl über die Auswirkungen des Coronavirus auf die Weltbörsen. Reinhören direkt hier.

Christoph Boschan bei der  Podcast-Aufnahme mit Anna-Maria Wallner.
Christoph Boschan bei der Podcast-Aufnahme mit Anna-Maria Wallner. GGfrerer

Es ist ein großer Fehler, sich aufgrund kurzfristiger, wenn auch gravierender, Schwankungen von Aktien abzuwenden. Denn mit der richtigen Strategie, nämlich Investition statt Spekulation, ist das Risiko viel geringer als medial dargestellt. Phasen von Rückgängen an Aktienmärkten sind seltener und kürzer als Phasen des Anstiegs. Kapitalmärkte reflektieren das Wirtschaftswachstum langfristig naturgesetzmäßig. Einfache Anlagegrundsätze minimieren die Schwankungen stark und befreien die Anleger von der Not, den richtigen Zeitpunkt erwischen und die richtige Aktienwahl treffen zu müssen.

Was soll ich kaufen? Eine Mischung aus europäischen, asiatischen und amerikanischen, länger bestehenden Großunternehmen, die Dividende zahlen. Jeder Privatanleger, der davon abweicht, ist entweder eigentlich ein professioneller Investor oder schlicht Spekulant. Wie kaufe ich solche Werte? Über Fonds, die sich auf die genannten Regionen und Unternehmen beziehen, am einfachsten in Form eines  „Welt-Fonds“. Wann kaufe ich? In Form eines Sparplans mit monatlichen Beträgen, etwa 100 oder 200 Euro. Kleinere Beträge spart man zusammen und kauft zwei oder viermal im Jahr. So setzen Anleger nicht zu einem Zeitpunkt alles auf eine Karte. Das schmälert zwar die Rendite, bringt aber Sicherheit. Man schließt das Pech aus, zum Höchstkurs alles zu investieren. Nehmen wir den schlechtest denkbaren Startzeitpunkt in unserem Heimatindex. Selbst wenn man zum ATX-Allzeithoch im Juli 2007 zu investieren begann, führte diese Strategie dazu, dass man heute nicht – anders, als fast alle Medien berichteten – auf einem Verlust sitzt. Anleger, die seit damals 100 Euro monatlich investieren, machten aus 14.800 bis Ende Jänner 21.300 Euro (vor Gebühren). Wer seit Hochzeiten der Dotcom-Blase investiert, konnte sein eingesetztes Kapital nahezu verdoppeln. Gerade bei Rückgängen, wie sie aktuell zu sehen sind, entfaltet der Durchschnittskosteneffekt von Sparplänen seine volle Wirkung. Die Einkaufspreise sinken in solchen Phasen

Die derzeitig realistische Zielrendite nach den obigen Anlagegrundsätzen liegt bei sieben Prozent pro Jahr. Ein stärkerer Wertzuwachs geht immer mit gesteigertem Risiko einher, ein geringerer Zuwachs bedeutet verschenkte Rendite. Was ist noch wichtig? Unbedingt auf die Gebühren achten. Eine um ein Prozent geringere Rendite verursacht bei einer monatlichen Investitionsrate von 100 Euro über 40 Jahre einen Renditeverlust von über fünfzigtausend Euro!

Glaube an Unternehmen

Langfristig ist diese Anlagestrategie die sicherste. Wenn die hier vorgestellte Strategie nicht aufgeht, versiegen auch alle übrigen Einkommensquellen. Alle Löhne, Pensionen und Sozialleistungen entstammen derselben Quelle: leistungsfähigen Unternehmen! Wer sich also der hier vorgestellten Logik nicht anschließen kann, stellt die Zukunftsfähigkeit seiner Einkommensquellen infrage. Wer aber an die Zukunftsfähigkeit der Löhne, Pensionen, Sozialleistungen – somit indirekt an prosperierende Unternehmen – glaubt, hat über den Aktienmarkt die Chance, überproportional vom Wirtschaftswachstum zu profitieren.

Der Autor

Dr. Christoph Boschan (* 1978) hat im Börsewesen promoviert und ist CEO der Börsengruppe Wien und Prag. Zuvor war er bei verschiedenen Handelsplätzen tätig.

Boschan ist auch Gast in der neuen Folge des „Presse“-Podcasts 18'48''.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.02.2020)

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