Am Herd

Die Beschwerden passen

Meine kranke Tochter liegt im Bett und googelt die Symptome des Coronavirus. Die Beschwerden passen. Über Hysterie – und Sorglosigkeit.

Ich koche also Suppe. Wieder einmal. Ich koche immer Suppe, wenn Marlene krank ist, und bitte, schminken Sie sich die idyllische Vorstellung von leise vor sich hin simmerndem Huhn, von frischen Kräutern und à la Julienne geschnittenen Karotten wieder ab. Es wird nur eine Packerlsuppe, das bedeutet Wasser zum Kochen bringen und dann zehn Minuten sieden, fertig. Eine unserer Standardtherapien gegen Viren und Bakterien. Die andere: Cola und Soletti. Wenn unsere Kinder krank sind, gehe ich also zuerst einmal aus dem Haus und kaufe Junkfood.

Marlene schlürft jedenfalls ihre Suppe und erzählt mir, dass sie die Symptome des Coronavirus gegoogelt hat. Passt genau. Husten, Halsschmerzen, Fieber, Kopfweh. Marlene grinst. Sie hat sich damals als eine der Ersten in Wien die Schweinegrippe eingefangen, keiner wusste noch, was genau zu tun war, die Ärzte wimmelten uns ab und verwiesen uns auf die Kliniken, die Kliniken wimmelten uns ab und verwiesen uns auf die Ärzte, am Schluss machten wir selbst einen Abstrich und brachten ihn ins Labor. Positiv. „Das wäre doch lustig, wenn ich jetzt schon wieder . . .“

Marlene hat also keine Angst. Aber habe ich Angst um sie? Selbstverständlich nicht, sage ich mir. Das hier ist ein hundsordinärer grippaler Infekt, wie die Kinder ihn schon zu Aberdutzenden durchgemacht haben, und wir mit ihnen, natürlich. Wo soll sie das Coronavirus auch herhaben, jetzt, in Wien! Lächerlich.

Hamsterkauf. Und trotzdem: Ich schaue häufiger als sonst in ihr Zimmer, lege öfter meine Hand auf ihre Stirn (und stelle fest, dass das Fieber schon wieder sinkt, zum Glück), und auch die Nachrichten verfolge ich genauer. In Wien ist ein alter Mann erkrankt. Ein Ehepaar. Ihr Sohn wurde auch positiv getestet, er geht aber in Niederösterreich zur Schule, puh. Beim nächsten Einkauf nehme ich sicherheitshalber fünf Packerln Nudeln mit, vier Gläser Pesto und sechs Dosen Katzenfutter, das ist noch kein Hamsterkauf, aber irgendetwas knapp davor. Und wenn ich nach Hause komme, wasche ich mir jetzt als Erstes die Hände. Mit warmem Wasser. Und Seife. Auch wenn ich unterwegs keinen Hund angefasst habe.

Kann es sein, dass viel mehr gehustet wird als sonst – und warum fällt mir das überhaupt auf?

Marlene erholt sich dann jedenfalls erstaunlich schnell – von „Mama, kochst du mir Suppe?“ (leise klagend) bis zu „Ich mache mir Tortillas mit Bohnen, Mais und Käse, magst du auch?“ (munter rufend) in gerade einmal 24 Stunden. Wir sitzen in der Küche, machen Virenwitze, ich esse ihre Tortillas, und kurz, nur kurz denke ich mir, dass so ein grippaler Infekt normalerweise doch nicht nach einem Tag vorbei ist . . .

bettina.eibel-steiner@diepresse.com

diepresse.com/amherd

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.03.2020)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.