„Griechenland schützt auch Österreichs Grenzen“

Solidaritätsbesuche. Außenminister Schallenberg und EU-Größen sagen Athen umfassende Unterstützung für den Schutz der EU-Außengrenze zu.

Athen. Es waren deutliche Worte, die der griechische Außenminister an die Adresse Ankaras richtete: „Die Situation an der Grenze wurde von der türkischen Führung provoziert“, sagte Nikos Dendias am Dienstag. Es sei eine „zynische Entscheidung“ Ankaras, das Schicksal von Menschen dafür zu missbrauchen, Druck auf die Europäische Union auszuüben. Dendias sprach sogar von einer „asymmetrischen Bedrohung“ für die EU durch die türkische Führung.

Seit Tagen versuchen Flüchtlinge und Migranten, aus der Türkei über die Grenze nach Griechenland zu gelangen. Der türkische Präsident, Recep Tayyip Erdoğan, hatte zuvor verkündet, dass „die Tore der Türkei nach Europa offen“ seien. Die griechischen Sicherheitskräfte setzten zuletzt massiv Tränengas und Gummigeschosse ein, um die Menschen am Überqueren der Grenze zu hindern. Zudem hat die Regierung in Athen erklärt, vorläufig keine Asylanträge mehr annehmen zu wollen. Kritik daran kommt vom UN-Hochkommissariat UNHCR, das diese Maßnahme als nicht rechtmäßig ansieht. Flüchtlinge müssten eine Möglichkeit haben, einen Asylantrag zu stellen. Athen denkt aber nicht daran, von seiner harten Haltung abzurücken. „Griechenland beschützt die Grenzen der EU“, beteuerte der griechische Außenminister Dendias.

Er bekam am Dienstag Besuch von Österreichs Außenminister, Alexander Schallenberg. „Das ist ein Besuch der Solidarität und der Unterstützung“, erläuterte Schallenberg bei der gemeinsamen Pressekonferenz mit Dendias. Griechenland stehe unter „enormem Druck“. Es schütze nicht nur seine eigenen Grenzen, „sondern auch unsere“. Schallenberg sagte zu, dass Österreich dem UNHCR eine Million Euro für die Flüchtlingslager in Griechenland zukommen lassen werde. 14 Polizisten aus Österreich seien derzeit zur Unterstützung der griechischen Grenzpolizei aktiv. Wien sei aber bereit, noch mehr Beamte zur Verfügung zu stellen – bilateral oder über Frontex.

Ankaras Druckausübung „inakzeptabel“

Sowohl Schallenberg als auch Dendias wiesen Vorwürfe aus Ankara zurück, die EU habe sich zuletzt nicht an den mit der Türkei vereinbarten Flüchtlingspakt gehalten: „Wir haben den Pakt eingehalten, und er ist noch immer in Kraft“, betonte Schallenberg. Er habe aber das Gefühl, dass die türkischen Partner ihre Meinung geändert hätten.

Die türkische Regierung hatte zuletzt beklagt, dass die EU nicht alle versprochenen Zahlungen geleistet habe. Dem widersprechen der griechische und der österreichische Außenminister unisono: 1,3 Milliarden Euro an europäischen Zusagen für die Türkei im Zuge des Paktes seien noch nicht verplant, sagte Schallenberg. Die EU leiste mit insgesamt sechs Milliarden eine „großzügige Hilfe“ für die Türkei, meinte Dendias. Dass aber Ankara jetzt menschliches Leid missbrauche, um Druck auf die EU auszuüben, sei „inakzeptabel“.

Schallenberg traf am Dienstag auch den griechischen Migrationsminister, Notis Mitarakis, sowie den Minister für Schifffahrt und Inselpolitik, Giannis Plakiotakis, und den stellvertretenden Außenminister, Miltiadis Varvitsiotis. Er stellte in allen Begegnungen klar, dass Österreich die griechische Regierung in ihrer harten Haltung unterstütze. Man befinde sich derzeit im „Krisenlösungsmodus“. Und man müsse den Druck, den die Türkei aufzubauen versuche, mit Gegendruck beantworten. Wichtig sei vor allem, dass Europa in dieser ganzen Angelegenheit mit klarer Stimme spreche.

EU-Rückendeckung für Athen

Bei einem Besuch an der griechisch-türkischen Grenze hat EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen gemeinsam mit Ratschef Charles Michel und EU-Parlamentspräsident Davide Sassoli den Griechen umfassende Unterstützung zugesagt. Die EU-Grenzschutzbehörde Frontex werde zusätzlich zu den derzeit bereits 530 Grenzschützern 100 weitere Beamte entsenden sowie Schiffe, Hubschrauber und Fahrzeuge zur Verfügung stellen. Europa werde alle Hilfe bereitstellen, „die gebraucht wird“.

Zuvor hatte von der Leyen bereits zusätzlich 700 Millionen Euro Hilfe für Griechenland angekündigt. Die griechischen Behörden meldeten, dass es von Samstag bis Montag 24.200 versuchte illegale Grenzübertritte von türkischer Seite aus gegeben habe; 182 Menschen seien dabei festgenommen worden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.03.2020)

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