Mein Montag

Dinge, über die man im Home-Office grübelt

Halt die Ohren steif! Bei Hasen geht das ja ganz gut, aber bei Menschen?
Halt die Ohren steif! Bei Hasen geht das ja ganz gut, aber bei Menschen?(c) imago images/ZUMA Press (Slavek Ruta via www.imago-images.de)
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Kann man den Härtegrad der eigenen Ohren ändern? Und wo werden Ohrfeigen geerntet?

Halt die Ohren steif! Das, meint ein Kollege, hört man ja vermehrt in letzter Zeit. Nur wie soll das gehen? Man kann Stunden im Home-Office verbringen und wird es doch kaum schaffen, durch welche Anstrengung auch immer, den Härtegrad der eigenen Ohren zu ändern. Nun, da haben wir es mir einer Analogie aus dem Tierreich zu tun. Denken wir etwa an Hunde oder Pferde, die tatsächlich bei einem plötzlichen Geräusch ihre Ohren aufrichten können. Ursprünglich ist mit der Redewendung also gemeint, dass man wach und aufmerksam sein soll. Verwandt damit ist übrigens auch die Aufforderung, die Ohren zu spitzen. Auch das wird der Mensch schon rein anatomisch kaum schaffen. Denken wir lieber über eine beliebte kugelförmige Frucht nach, die auch gern einmal als Androhung von Gewalt ins Spiel gebracht wird – nur dass die Ohrfeige rein gar nichts mit der Nutzpflanze zu tun hat. Vielmehr kommt der Begriff vom Veeg, was für Streich oder Hieb steht. Das finden Sie übrigens auch im Fegefeuer wieder, quasi dem Feuer der Reinigung. Fegen kennt man ja auch vom Reinigen der Wohnung, nur dass man hierzulande eher kehren sagen würde.

Wobei auch das in Zeiten leistungsstarker Staubsauger ein bisschen anachronistisch wirkt. Ein jeder sauge vor seiner Tür, und rein ist jedes Stadtquartier, so müsste es Goethe heute formulieren. Das dazugehörige Gedicht heißt übrigens „Bürgerpflicht“, und die tut man nun auch weiter im Home-Office. Vielleicht erst mal hinter der Tür kehren, da schaut es ja schon wieder aus! Aber kommen wir noch einmal zu den Ohren zurück. Warum haut man jemanden übers Ohr? Nicht moralisch gefragt, sondern rein sprachlich. Sie können es sich vorstellen – die Redewendung kommt aus der Fechtersprache. Dort stand es dafür, dass man jemanden mit der Waffe am Kopf trifft – oberhalb der Ohren. Das gilt im Fechtsport als unverschämt, erfordert aber gleichzeitig ein gewisses Geschick. Nach und nach hat sich aus der Beschreibung dieses Manövers die Bedeutung herausgebildet, dass man jemanden betrügt.

Und dann gab es da auch noch diesen Brauch, dass man früher bei der Festsetzung von Gemeindegrenzen einen Buben ins Ohr zwickte oder am Ohr zog. Auf diese Weise würde er sich auch im hohen Alter noch genau an den jeweiligen Grenzpunkt erinnern. GPS und dergleichen gab es damals halt noch nicht. Aber wir lernen, wie daraus eine weitere Redewendung entstand. Das können Sie sich hinter die Ohren schreiben.

E-Mails an:erich.kocina@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.03.2020)

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