Mein Montag

Wenn die Rolle wellt, stehen einem die Berge zu Haare

Mir kopft der Rauch.
Mir kopft der Rauch.Erich Kocina
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Ist ein Versprecher eher ein Vor- oder ein Nachteil für den Sprecher? Nun, es überwiegt beides.

Mir kopft der Rauch. Da hat jemand im Fernsehen davon gesprochen, dass in Singapur die zweite Corona-Rolle wellt. Und sofort erwachte in mir die gludernde Lot. Denn bei so einem charmanten sprachlichen Schlurzkuss stellt sich die Frage, ob das nun ein Vor- oder ein Nachteil für den Sprecher ist. Nun, es überwiegt beides. Sie wissen schon, das ist so, wie wenn jemand auf der Suche nach Daten das buddhistische Standesamt anruft. Oder ein Historiker von Hunnila, dem Attenkönig, doziert. Spätestens da trennt sich die Sprei vom Weuzen. Was für ein Pferd hat ihn da geritten, fragt man sich. Und manchem stehen echt die Berge zu Haare. Aber andererseits: Man soll die Nacht nicht vor dem Morgen loben. Und die Suppe, die er sich eingebrockt hat, muss er ohnehin selbst ausbaden. Aber hinter vorgehaltener Tür möchte man trotzdem etwas Nettes sagen. Nein, man will ihm nicht Honig in die Augen schmieren. Aber die Devise „Reden ist Schweigen, Silber ist Gold“ wäre auch wieder zu hart. Wie auch immer, ich habe mich schweren Schrittes dazu entschlossen, ein paar Worte dazu zu schreiben.

„Ihr macht mich wohl über euch lustig“, wird der Sprecher vermuten. Mitnichten, das wäre ja eine Kuhmilchrechnung. Im Gegenteil, man kann sich richtiggehend ausmalen, wie er auf heißen Kartoffeln sitzt und denkt: Das kann doch jetzt wirklich nicht mein Ernst sein! Zur Aufmunterung: Man muss die Schönheitsfehler durch andere Mängel kompensieren, um die Leute bei der Schlange zu halten. Hat das Arm und Bein? Meine Rede, kurzer Sinn: Wer nicht singen will, muss zuhören. Und wäre der Versprecher nicht gewesen, wäre er mir ewig in Vergessenheit geblieben. So ist er mir in Mark und Bein übergegangen. Also, einfach mal drüber schlafen – und Morgengold hat Stund im Mund. Nicht wahr? Ach, meine Probleme möchte ich haben!

E-Mails an:erich.kocina@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.04.2020)

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