Gastbeitrag

Frau Köstinger, öffnen Sie die Gärten!

WIEN: CORONAVIRUS - SITUATION - BUNDESGAeRTEN
WIEN: CORONAVIRUS - SITUATION - BUNDESGAeRTENAPA/HERBERT P. OCZERET
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Wem gehören die Wiener Gärten? Da gibt es viele mögliche Antworten, sicher ist: Sie gehören nicht Ministerin Köstinger.

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Wem gehören die Gärten in Wien? Mögliche Antworten: Sie gehören allen. Oder: Sie gehören den Menschen in Wien. Sicher ist: Sie gehören nicht Elisabeth Köstinger aus Kärnten. Auch wenn in das Fleckerlteppichministerium von Köstinger, in dieses Sammelsurium nicht zusammenpassender Kompetenzen, auch die Bundesgärten geraten sind: Das gibt der Ministerin zwar juristisch, aber zweifelsfrei nicht moralisch, das Recht, die Wiener Bevölkerung aus ihren eigenen Gärten auszusperren.

Wir haben nämlich kein allgemeines Ausgehverbot. Die Wienerinnen und Wiener dürfen sich überall im öffentlichen Raum bewegen, nur nicht in ihren wundervollen historischen Gärten, soweit Elisabeth Köstinger dafür zuständig ist. Dazu kommt noch der Spott für die Ausgeschlossenen. Am versperrten Gittertor des Augartens hängt ein Zettel: „Als Präventivmaßnahme zur Eindämmung von Infektionen durch das Coronavirus (Covid-19) wurde der Park für Gäste bis auf Weiteres geschlossen, da es zu sehr hohen Besucherfrequenzen und  Menschenansammlungen gekommen ist und  Sicherheitsabstände nicht eingehalten wurden. Der Schutz und die Gesundheit der Menschen sind unser oberstes Ziel. Mit besten Grüßen Ihre Bundesgärten.“

Da denken wir an „Die letzten Tage der Menschheit“ und darin an „das österreichische Antlitz“, das „von teuflischem Behagen gesättigt“ wiederholt: „Wird kane Koaten ausgeben! Wird kane Koaten ausgeben!“ Dazu die Regieanweisung: „Ein dürrer Zeigefinger scheint hin- und herfahrend alle Hoffnung zu nehmen.“

Sind jetzt die Bundesgärten zuständig für die Gesundheitspolitik - mit erhobenem Zeigefinger? Das österreichische Antlitz? Und Frau Köstinger versteckt sich dahinter? Von ihr hören wir: „Auch draußen lauert die Gefahr einer Ansteckung. Das Öffnen der Bundesgärten wäre das völlig falsche Signal.“

Danke! Dass auch draußen die Ansteckungsgefahr lauert, wissen wir. Sie ist aber in den Bundesgärten nicht größer als überall sonst in der Stadt, wo sich Menschen frei bewegen. Im Gegenteil: Je mehr Grünraum abgesperrt ist, desto mehr werden sich Menschen bei schönem Wetter im noch vorhandenen Grünraum drängen. Damit wird das Ansteckungsrisiko nicht kleiner, sondern größer. Das sagt uns der Menschenverstand.

Lächerliche Sorge um die Gesundheit der Städter

Dass Frau Ministerin Köstinger vom Land kommt und dass sie mit den Gepflogenheiten von Menschen in der Stadt offenbar weniger vertraut ist, wäre kein Vorwurf, wenn sie sich nicht so massiv einmischen würde. Städter entwickeln im Gegensatz zu Dorfbewohnern, die im günstigen Fall zwischen Obstbäumen aufwachsen und beim Spazierengehen schnell in der freien Natur sind, eine ganz andere Sehnsucht nach Sträuchern, Bäumen und freiem Blick ins Grüne, weil sie in ihrer unmittelbaren Wohnumgebung nicht genug davon haben. Das trifft für Menschen im innerstädtischen Raum am allermeisten zu. Und gerade in diesem Raum liegen fast alle jetzt geschlossenen historischen Gärten. Das macht die behauptete Obsorge um die Gesundheit der hier Lebenden so absurd. Und so lächerlich.

Angesichts der nordkoreanisch anmutenden Huldigung, die Köstinger dem Bundeskanzler öffentlich angedeihen lässt, ergeben sich Fragen: Welche Hierarchiestrukturen herrschen in der türkis/schwarzen Regierungsfraktion? Ist derlei dort üblich, halt im Regelfall nicht so öffentlich wie diesmal? Und: Ist es unter diesen Umständen überhaupt sinnvoll, sich mit der Forderung, die Bundesgärten mögen endlich geöffnet werden, an Frau Köstinger zu wenden? Wäre es nicht sinnvoller, sich damit direkt an Bundeskanzler Sebastian Kurz zu wenden, weil der, Daumen rauf, Daumen runter, offenbar letztlich allein entscheidet, was diese Regierungsfraktion beschließt? Und daher auch die Verantwortung trägt.

Peter Huemer

Geboren 1941 in Linz. Dr. phil. Journalist und Historiker. Leitete im ORF von 1977 bis 1987 den „Club 2“, gestaltete dann bis 2002 die Radioreihe „Im Gespräch“. Publikationen zur Geschichte des 20. Jahrhunderts.

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