Gastkommentar

Wie viele Menschenleben ist die Durchsetzung der Matura wert?

Die Presse (Clemens Fabry)
  • Drucken

„Darf Heinz Faßmann das Leben vorerkrankter Jugendlicher, welche dieses Jahr maturieren müssten, aufs Spiel setzen?“, fragt ein Schüler.

Gastkommentare und Beiträge von externen Autoren müssen nicht der Meinung der Redaktion entsprechen.

In den letzten Tagen sind bereits einige Kommentare von engagierten Schülern publiziert worden, welche alle die Ungerechtigkeit betonen, die den diesjährigen MaturantInnen widerfährt. Zu wenig Vorbereitungszeit, keine klaren Aussagen von Herrn Faßmann, chaotisches e-learning,… alles valide Punkte, welche es Wert sind diskutiert zu werden, doch davon bekommt man nicht viel mit. Anstatt auf die Mehrheit der Schüler zu hören und die Forderungen der Gesundheitsexperten ernst zu nehmen, beschließt Faßmann laufend immer lächerlichere Maßnahmen um die Matura auf Biegen und Brechen durchziehen zu können. Doch darf er dafür sogar das Leben vorerkrankter Jugendlicher, welche dieses Jahr maturieren müssten, aufs Spiel setzen?

Was ist denn eigentlich mit den MaturantInnen, welche aufgrund diverser Vorerkrankungen, wie Asthma oder verschiedensten Autoimmunerkrankungen, einem erhöhten Risiko, einer Infektion durch das Virus, und in weiterer Folge womöglich einem aggressiven Krankheitsverlauf ausgesetzt sind? Ist es moralisch vertretbar, dieses Jahr Maturaprüfungen um jeden Preis durchzuziehen, obwohl man damit die Gesundheit einiger Schüler riskiert, nur weil es in den letzten Jahren auch immer eine Zentralmatura gab? Spielen die gegebenen Umstände da denn gar keine Rolle?

»Stellen Sie sich mal vor, Sie leiden an einer Autoimmunerkrankung und haben es trotz längerer Krankenhausaufenthalte geschafft bis ins Maturajahr zu kommen.«

Aber da haben doch alle mal durch müssen, oder? Nein! Ganz gewiss hat da noch niemand durch müssen, was von den, insbesondere vorerkrankten, MaturantInnen, zurzeit abverlangt wird! Stellen Sie sich mal vor, Sie leiden an einer Autoimmunerkrankung und haben es trotz längerer Krankenhausaufenthalte geschafft bis ins Maturajahr zu kommen. Soweit eine ganz beachtliche Leistung. Doch plötzlich bricht eine Pandemie aus und das Leben, wie Sie es gestern noch kannten, existiert nicht mehr. Sie haben Angst selbst Infiziert zu werden, da Sie durch Ihre Vorerkrankung Gefahr laufen, einem aggressiven Krankheitsverlauf, mit ungewissem Ausgang, zu erfahren. Nebenbei müssen Sie allerdings die Pflichten der Schule erfüllen und mit anhören wie von Ihnen allen Ernstes verlangt wird, in die Schule zu gehen um die Maturaprüfungen zu absolvieren, obwohl das für Sie heißt, dass Sie sich dadurch einem enormen Risiko, einer gefährlichen Infektion, ausliefern. Hat da wirklich jeder schon mal durch müssen?

Es ist also nicht nur unverantwortlich, sondern zur Gänze verwerflich, auch vorerkrankte SchülerInnen, für eine lächerliche Maturaprüfung, in die Schule zu schicken und damit ihre Gesundheit, oder gar ihr Leben zu riskieren. Aus diesem Grund sollte eine solch schwachsinnige Idee sofort im Keim erstickt werden. Jetzt fragt man sich natürlich woran es liegt, dass dies nicht geschieht. Nun ja, es ist zwar schwer begreifbar, aber tatsächlich fordern Gesundheitsexperten ja eh den Ausfall der Matura und eine längere Schließung der Schulen. Das lustige an dieser Sache ist jedoch, dass diese Experten, welche dafür bezahlt werden, fundierte Kenntnisse zu generieren, diese zu veröffentlichen und Ratschläge zu geben, wie man zum Wohle der gesamten Bevölkerung am besten handeln könnte, einfach beinhart ignoriert werden. Ist das nicht lächerlich? Also ich lach mich tot, oder, besser gesagt, huste mich tot, wenn ich mich, als vorerkrankter Schüler, bei der Matura mit dem Virus infiziere.

Wieso fällt es dem Herrn Faßmann so schwer, den Ernst er Lage zu begreifen und endlich mal die Augen zu öffnen, um zu sehen, dass man in Zeiten wie diesen gewisse Maßnahmen ergreifen muss, um das Leben einiger Schüler zu wahren. Stattdessen versucht er die Zentralmatura am Leben zu halten und verfolgt so den völlig falschen Denkansatz.

Ich appelliere ja gar nicht daran uns die Matura zu schenken, wie ein Ausfall der diesjährigen Maturaprüfungen von manchen, schwachsinnigerweise, dargestellt wird. Nein, ich appelliere an den Hausverstand eines jeden, für die Matura Verantwortlichen, also vor allem an Herrn Faßmann, um auch an die vorerkrankten MaturantInnen zu denken, welche, wegen solch lächerlichen und ohnehin bereits stark umstrittenen Maturaprüfungen, ihre Gesundheit riskieren müssten. Daher ist es unabdinglich, Alternativen zu den Maturaprüfungen wahrzunehmen und umzusetzen!

Und um auch gleich dem Vorschlag entgegenzuwirken, die gefährdeten Jugendlichen einfach einzeln in andere Klassenräume zu setzen, will ich darauf verweisen, dass auch dort der Kontakt mit anderen Menschen besteht, da ja Lehrer während der Prüfungen anwesend sind. Außerdem müssen diese Schüler ja auch irgendwie den Schulweg bestreiten, was ebenfalls mit einigen Infektionsmöglichkeiten verbunden ist. Aber was will man jetzt machen? Diese Schüler von der Matura ausnehmen oder gar noch mehr Sicherheitsmaßnahmen treffen? Pfeif auf den Mundschutz, dieses Jahr Maturieren alle im Ganzkörper-Schutzanzug, oder?! Ich bitte Sie mit vollster Hochachtung und höchstem Respekt, Herr Faßmann, denken Sie mal nicht nur an die Matura und wie man diese krampfhaft noch über die Bühne bringen könnte, sondern hinterfragen und evaluieren auch Sie einmal kritisch wie wichtig es ist, in Gegenüberstellung mit all den Umständen und Gefahren, die damit einhergehen,die diesjährige Matura, mit allen möglichen Mitteln, irgendwie durchzubringen.

Sie riskieren nicht nur gute Noten von Schülern, welche nicht die nötigen Voraussetzungen haben, um sich zu Hause ausreichend gut vorbereiten zu können. Nein, Sie riskieren viel mehr als das! Sie riskieren Menschenleben! Es ist in Anbetracht der Umstände wirklich keine Schande, die Noten der Maturanten ausnahmsweise einmal nicht nur durch Prüfungen zu ermitteln.

Die Intention dieses Kommentars besteht also nicht darin, einen Weg für die gefährdeten Jugendlichen zu finden, um das Risiko einer Infektion, während der Prüfungen auszuschalten, denn den gibt es nun mal nicht. Nein, mein Anliegen ist es, dass endlich mal die Meinungen und Vorschläge der Experten ernst genommen und umgesetzt werden. Dazu gehört es auch, die Alternativen zu den Maturaprüfungen, welche es zur Genüge gibt, umzusetzen, um so das Leben bestimmter Schüler nicht unnötig aufs Spiel zu setzen. Denn ehrlich gesagt will ich mir nicht vorstellen, dafür verantwortlich zu sein, dass sich ein vorerkrankter Schüler bei den Prüfungen infiziert und anschließend im Spital um sein Leben kämpfen muss, nur weil ich meine Augen vor dem Ernst der Lage verschlossen habe und mir zu stolz war, meine vorherigen Entscheidungen zu revidieren und dem ganzen chaotischen Schwachsinn ein Ende zu setzen, indem ich die ohnehin umstrittenen Maturaprüfungen, aufgrund der gegebenen Umstände, für dieses Jahr ausfallen lasse.

Denn hier und jetzt geht es schon längst nicht mehr um die Matura, Herr Faßmann… es geht um Menschenleben…!

Autor

Florian Silberschneider ist Schüler der 9B des BORG für Leistungssport St. Pölten. Er hat die Autoimmunerkrankung Enthesitis-assoziierte Arthritis.

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.