Der Herzschlag der Bauarbeiter

Herzschlag Bauarbeiter
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Die Arbeitsleistung und die Belastung von Bauarbeitern wurden in Graz erstmals sportmedizinisch erforscht.

In der Stadt oder auf der Autobahn – Sommerzeit ist Baustellenzeit. Was klimagekühlten Autofahrern unangenehm ist, ist für Bauarbeiter bedeutend schlimmer: Ein oft zehnstündiger Arbeitstag, gefährliche, körperliche Schwerstarbeit in Hitze, Staub und Lärm bringen die Männer an ihre Grenzen. Das Institut für Baubetrieb und Bauwirtschaft an der TU Graz hat sich erstmals mit der Arbeitsbelastung von Bauarbeitern beschäftigt und den Zusammenhang zwischen Arbeitszeit und Arbeitsleistung erforscht.

Im Rahmen von Human Performance Research (Uni und Med-Uni Graz) wurden die Leistungen sportmedizinisch unter wirklichkeitsgetreuen Bedingungen überprüft: „Dabei haben wir uns auf den Bereich der Roharbeiten, wie etwa Maurer-, Schalungs-, Bewehrungs- und Betonierarbeiten konzentriert“, erklärt Dieter Schlagbauer, der seit der Diplomarbeit daran forscht.

Eine Frage war, wie viel Leistung ein Bauarbeiter in acht bis zehn Stunden erbringen kann: „Die Kurve zeigt nach acht Stunden einen Knick, die Arbeitsleistung nimmt dann proportional ab“, erklärt Schlagbauer. Alle fünf Minuten wurde die Belastung verschiedener Tätigkeiten gemessen und diese in leichte, mittlere oder schwere Arbeitsleistungen eingestuft. Insbesondere hoch belastendes Über-Kopf-Arbeiten z.B. auf einem Gerüst fordert die Konzentration und lässt auch bei fitten Arbeitern schnell den Puls klettern. Besonders, wenn man nicht mehr der Jüngste ist oder einen höheren Body-Mass-Index aufweist. Eine moderate Dauerbelastung fällt hingegen kaum „ins Gewicht“.


Alt und Jung. Anders ist es bei Spitzenanstrengungen wie Nachverdichten von Beton oder Hebe- und Tragearbeiten: Sie lassen Arbeiter schnell ermüden und können Wirbelsäulenerkrankungen und andere Schäden hervorrufen. Untersucht wurde nun die Arbeitsverteilung über den Tag, mit dem Ergebnis, dass „schwere Materialbewegung eher jüngeren Arbeitern aufgetragen werden soll. Dafür sollten sie früher nach Hause. Ältere, höher qualifizierte Baumeister können komplexere Tätigkeiten erledigen und ihre Arbeitsleistung bis ins hohe Alter erhalten.“

Durch eine genaue Arbeits- und Pauseneinteilung wird das Leistungslevel und die Konzentration erhöht, es passieren weniger Fehler und das Verletzungsrisiko sinkt. Schlagbauer spricht auch den psychologisch positiven Effekt an: „Der Arbeitnehmer fällt nicht mehr müde in den Sessel, sondern kann mit seiner Familie einen Radausflug unternehmen, was sein Wohlbefinden ebenso steigert.“ Neben der erhöhten Arbeitsleistung ist auch die verminderte Zahl an Krankenstände oder „blauen Tagen“ für den Arbeitgeber von Vorteil und großem Nutzen. Gefördert vom Land Steiermark und Firmen wie der Asfinag ist die Studie bei den Kooperationspartnern (Alpine Bau, Strabag, Pongratz und Lederer) bereits erfolgreich in die Praxis umgesetzt worden.

110 Herzschläge
pro Minute ist nach Vorgaben der WHO die durchschnittliche Herzfrequenz für Bauarbeiter bei einem Arbeitstag von acht Stunden.

90 bis 105 Prozent
der Dauerleistungsgrenze beträgt die Herzfrequenz bei Maurern (über 100 Prozent treten negative Effekte wie Ermüdung etc. auf).

95 bis 130 Prozent
beträgt die Dauerleistungsherzfrequenz von Bauarbeitern beim Betonieren. Das bedeutet große Anstrengungen und Ermüdungserscheinungen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.07.2010)

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