„Mäderl, was fällt denn dir ein!“

Blick für politisch-ökonomische Missstände. Elisabeth Schilder.
Blick für politisch-ökonomische Missstände. Elisabeth Schilder.(c) Ulli Baier-Schilder
  • Drucken

Sie war eine der ersten Juristinnen Österreichs, kämpfte gegen repressive Erziehungsheime und gestaltete in den 1970ern an der Seite Christian Brodas die Reform des Straf- und Familienrechts maßgeblich mit: Elisabeth Schilder (1904 bis 1983) – Erinnerung an eine Vergessene.

Das Jahr 1919 war ein besonderes Jahr. Zum ersten Mal durften Frauen die Universität Wien betreten, um Jus zu studieren. Juristinnen! Und? Weiter? „Lernen, Doktor werden durften wir, aber mit dem Gelernten unser Brot verdienen – da hört die Gleichberechtigung auf“, protestierte zehn Jahre später eine frischgebackene Dr. jur. in der „Arbeiter-Zeitung“. Richterin zu werden, daran war gar nicht zu denken. „Ein alter Richter“, so die junge Juristin, „antwortete mir einmal auf eine diesbezügliche Frage mit väterlichem Lächeln: ,Aber Mäderl, was fällt denn dir ein!‘“ Der Mann hätte sich gewundert, was dem „Mäderl“ noch alles einfiel. Eine Ausbildung zur Fürsorgerin zum Beispiel, noch während ihres Studiums, oder ein anschließend absolviertes zweites Studium der Staatswissenschaften. Für die junge DDr. Elisabeth Schilder war dies alles keine Karrieregarantie. Sie suchte und fand andere Möglichkeiten.

Elisabeth Schilder – 1904 in Wien geboren – war die einzige Tochter einer assimilierten jüdischen Bürgersfamilie. Von den Eltern unterstützt, kam sie früh in Berührung mit der sozialdemokratischen Bewegung, die ihre soziale und politische Heimat wurde. Bereits im Gymnasium politisch aktiv und wenig später engagiert bei den sozialistischen Studenten, war es Käthe Leichter, die der jungen, temperamentvollen Juristin in der Frauenabteilung der Arbeiterkammer eine erste Beschäftigung ermöglichte. Die meisten Erfahrungen sammelte Elisabeth Schilder jedoch als Leiterin der Frauenrechtsschutzstelle im Wiener Arbeiterbezirk Ottakring von 1930 bis 1933. In der direkten Konfrontation mit den brennenden Fragen des Alltagslebens proletarischer Frauen schärfte sich ihr Blick für politisch-ökonomische und juristische Missstände. Es waren Hunderte, die vor Ort um Rat und Hilfe suchten: geprügelte Frauen, die rechtlos nach der Scheidung ihre Wohnung verloren hatten; alleinerziehende arbeitslose Mütter oder verzweifelte Frauen, die ahnungslos einem Ratenkauf zugestimmt hatten. Schilder: „Was den Männern der Alkohol, war den Frauen der Ratenhändler.“ Elisabeth Schilder besaß die Fähigkeit, komplexe juristische und ökonomische Sachverhalte in einfache Sprache zu übersetzen und sie publizistisch einer breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen – ihr Leben lang. Neben zahlreichen Artikeln über Wohnungs- oder Ehenot und Prostitution veröffentlichte sie einen „Ratgeber für die proletarische Frau“, die sie gemeinsam mit ihrer Freundin Ella Reiner (spätere Lingens) verfasste: „Was muss jede Frau vom Recht wissen?“.

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.