Vorabdruck

„Scheußlich, was für Worte wir gerade lernen“

(c) Peter Kufner
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Ferdinand von Schirach und Alexander Kluge reden per Messenger über Corona, Grundrechte, Triage und Angela Merkel.

Am 30. März 2020, 19 Tage, nachdem die Weltgesundheitsorganisation die Ausbreitung eines neuartigen Coronavirus (Sars-CoV-2) zu einer Pandemie erklärt hatte, führten Alexander Kluge (München) und Ferdinand von Schirach (Berlin) zwei Gespräche über einen Instant-Messaging-Dienst. Dies ist ein Auszug daraus:

Ferdinand von Schirach: Das Coronavirus ist in der Lage, mit der Börse umzuspringen. Und es ist klassenlos. Es unterscheidet nicht zwischen den Hautfarben, Geschlechtern, zwischen Alter oder Herkunft und infiziert den Hollywood-Star Tom Hanks oder die Frau des kanadischen Premiers ebenso wie Menschen in Flüchtlingslagern. Reichtum und Macht bieten keinen Schutz vor dem Virus, nur seine Folgen sind ungleich brutaler ohne medizinische Versorgung. Die Armen und Alten sind ihm ausgeliefert, in ärmeren Ländern sterben sie auf Krankenhausfluren und in Behelfslagern. Das Virus zwingt ganze Staaten in die Knie, ob die Regierenden das wollen oder nicht. Manchmal gibt es dabei merkwürdige Zufälle. Am 30. Mai 1918 stirbt ein Deutscher in New York an der Spanischen Grippe. Seine Witwe investiert das Erbe in Grundstücke in Queens. Der Enkel des Deutschen wird der 45. Präsident der USA: Donald Trump. Lang glaubt er, das Virus sei ausländisch und deshalb unwichtig. Dann wird auch dort das öffentliche Leben „heruntergefahren“, wie man das heute nennt.

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