Gastkommentar

Die Hotelbranche im Nahkampf

CORONAVIRUS - SITUATION IN ST. GILGEN/WOLFGANGSEE
CORONAVIRUS - SITUATION IN ST. GILGEN/WOLFGANGSEEAPA/BARBARA GINDL
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Warum so martialisch? Weil sich die Branche, so darf man es ruhig reißerisch benennen, im Überlebenskampf befindet; und das ist vielerorts gar nicht einmal übertrieben.

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Rückblick: Im Januar 2020 starten viele Kollegen – und auch wir – in einen der besten Jahresanfänge überhaupt. Nur ein paar Wochen später fühlt es sich an, als ob jemand den Stecker gezogen hat.

Was folgt, sind Wochen voll Ungewissheit über kurz-, mittel- und (davon will wohl niemand so richtig sprechen) langfristige Zukunft, gepaart mit einem enormen Aufwand an administrativen Tätigkeiten bei gleichzeitig 100-prozentigem Wegbrechen des unaufholbaren Umsatzes.

Die unscharfe Kommunikation über Details zu den Maßnahmen und dem weiterhin Erlaubten führte dazu, dass ein Bild in den Köpfen entstand, alle Hotels in Österreich haben geschlossen, Übernachtungen sind nur im eigenen, privaten Haushalt erlaubt. Was de facto nicht stimmte, da Geschäftsreisen weiterhin erlaubt waren, wenn natürlich auch nur begründet und wichtig – angesichts der Auswirkungen der Covid-Situation auf die Wirtschaft (nicht nur die Hotellerie) zumindest im Nachhinein vermutlich gegeben ... Die Folge ist, dass auch die geringe Chance auf Nächtigungen nach den ersten zehn ungewissen Tagen abgestorben ist.

Nun steht man als Unternehmer mit dem Rücken zur Wand und muss trotzdem, gerade in Bezug auf die Mitarbeiter, überlegen, welche Schritte nötig, gut, leistbar und vor allem nachhaltig sind. Alle Mitarbeiter zu kündigen, ist vor allem im Hinblick auf ein Weitermachen keine Option, da langjährige und gute Mitarbeiter gehalten werden sollen – das sagt der Homo Oeconomicus, neben dem emotionalen Gewissen, das bei einem Betrieb wie einem Hotel auch keine kleine Rolle spielt. Die Konkurrenz schläft nicht und das Vertrauen in die Firma bekäme Risse, wenn man bei der ersten Gelegenheit gekündigt wird.

Wir entschieden uns dafür, alle zu 100 Prozent in Kurzarbeit zu schicken, was bedeutet, dass allein für die erste Antragstellung ein Arbeitsaufwand von drei vollen (!) Arbeitstagen entstand und sich extrem komplex gestaltet (Stichwort: schnell und unbürokratisch) – irgendwie ein Paradoxon in sich. Die nachfolgende monatliche Abrechnung mit dem AMS ebenso, und dann beginnt das Warten auf die Antwort, ob es passt, was nachgebessert werden muss oder in neue Formulare übertragen, und wann überhaupt mit der Unterstützung gerechnet werden darf.

Nach sechs Wochen ging zwar die erste Zahlung ein, diese deckt aber nur Teile der Gehaltskosten ab, das anstehende Urlaubsgeld muss selbst in voller Höhe gestemmt werden. Sukzessive verliert hier somit die Firma Geld, da den Ausgaben keine Einnahmen gegenüberstehen. Und Kreditraten, die angesichts der steten Instandhaltungen und Ausbauten von den meisten Häusern zu tätigen sind – aufgeschoben ist nicht aufgehoben, wenn nicht jetzt, muss man sich spätestens später damit beschäftigen. Wie Sepp Schellhorn es so schön formuliert hat, man sieht sich hier, im Lichte des Grundsatzes der Unternehmensfortführung, mit der Situation konfrontiert, sich – gegebenenfalls – sogar der Konkursverschleppung schuldig zu machen.

»Es ist ein Ritt auf der Rasierklinge, da die nächsten Wochen entscheidend sind. «

Für Kollegen, die gerade investiert haben und eine geringe Eigenkapitalquote haben, kann eine Insolvenz in Eigenverwaltung eine Option sein, damit Sie sich mit einer Quote von 30 Prozent aller Verpflichtungen entledigen und saniert sind. Immerhin schön, wenn man den kühlen Kopf bewahrt und das erkennt … naja. Es ist ein Ritt auf der Rasierklinge, da die nächsten Wochen entscheidend sind. Da helfen gut gemeinte Ratsschläge aus Brüssel á la „Buffets könne es zwar geben, aber die Ausgabe der Speisen dürfe nur durch das Personal erfolgen.“, „Um Personal für zusätzliche Aufgaben zu gewinnen, sollten andere Tätigkeiten weiter automatisiert werden – etwa das Geschirrwaschen oder die Müllentsorgung.“ – ich kann mich nicht erinnern, wann wir das Geschirr das letzte Mal per Hand gespült hätten … vielleicht darf man das Betriebsblindheit nennen, weil man sich so sehr auf das Wesentliche konzentriert.

Umso wichtiger ist es, positive Signale zu senden und Aktionen zu setzen. Der Grazer Hotelier Philipp Florian „verschenkt“ sein Parkhotel am Pfingstwochenende, Hotel Zeitgeist veranstaltet ein „Fensterkonzert“, wir lancierten das HotelOFFICE und starteten eine Schnitzeljagt-Gutscheinaktion gemeinsam mit unseren Prager Häusern Josef und Maximilian. Es wurden hunderte Gutscheine mit Luftballons auf die Reise geschickt. Die glücklichen Finder dürfen sich auf Preise wie einem ausgiebigen Frühstück oder Candlelight-Dinner bis hin zum Designhotel-Urlaub in Prag freuen. Starke Lebenszeichen sollen signalisieren „Wir sind da“ und „Wir haben für Sie geöffnet“!

Mit diesen und vielen weiteren ungewöhnlichen Aktionen beweist die Hotellerie die immense Kreativität der gebeutelten Branche, die schon immer davon gelebt hat, sich neu zu erfinden und alle Anforderungen abzudecken – eine bloße Übernachtung ohne Rundum-Service, High-Tech und Zusatzleistungen wird heute seltenst gefragt.

Vom vielzitierten „Kopf in den Sand stecken“ kann man in der hiesigen Hotellerie also nicht sprechen. Die vielen Aktionen zeigen den ungebrochenen Willen, den Kraftakt des Wiederaufbaus leisten zu wollen. Wird das ausreichen, in der derzeitigen Situation? Wir hoffen, wir werden sehen.

Aber anstatt mit etwa 767 Millionen Euro die AUA zu retten, welche zu einem Deutschen Großkonzern gehört, wäre dieses Geld in den Klein- und Mittelbetrieben besser aufgehoben, die ja bekanntlich das Rückgrat der österreichischen Wirtschaft sind und nicht weniger als zwei Millionen Beschäftigte haben. Die brav ihre Steuern zahlen, um das System zu erhalten, im Tourismus 24/7 Hab-Acht stehen und nicht Servus, sondern „Herzlich Willkommen“ sagen.

Der Autor

Michael Ploberger (*1982) hat zuvor bei Startups  gearbeitet und mit ein eigenes aufgebaut und verkauft (www.HeimSchmecker.at, wurde dann zu Foodora Östereich).

Gemeinsam mit Markus Ploberger betreibt er das seit 1914 bestehende und 2018 renovierte Hotel Ploberger in Wels, sowie in Prag das 2019 renovierte Boutique Hotel Maximilian und das Design Hotel Josef.

Markus und Michael Ploberger
Markus und Michael Ploberger(c) Wolfgang Stöttinger >> www.wolfography.at <<

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