Pharmakologie

Neue Antibiotika im Schnellverfahren

Bei der Mikrodialyse wird eine kleine Sonde in das Gewebe implantiert, die genaue Messungen der Wirksamkeit von Arzneistoffen ermöglicht.
Bei der Mikrodialyse wird eine kleine Sonde in das Gewebe implantiert, die genaue Messungen der Wirksamkeit von Arzneistoffen ermöglicht. Facaccia, CC BY-SA 3.0
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Um die Entwicklung lebenswichtiger Medikamente schneller und günstiger zu machen, wurde in Wien ein neues Verfahren getestet, dass trotz minimaler Wirkstoffmengen die Konzentration im Körper zeigt.

Die Entdeckung der Antibiotika gehört zweifellos zu den größten Errungenschaften der Medizin. Krankheiten wie Syphilis, Pest oder Lepra kennen wir dank der bakterientötenden Substanzen nur noch aus den Geschichtsbüchern. Doch weniger als hundert Jahre, nachdem Alexander Flemming mit dem Penizillin das erste Antbiotika der Weltöffentlichkeit präsentierte, sind viele dieser einst mächtigen Waffen gegen die todbringenden Mikroben stumpf geworden. Der massenhafte und gedankenlose Einsatz der vermeintlichen Wundermittel ließ die Einzeller resistent werden, oft gleich gegen mehrere verschiedene Antibiotika. Bis 2050, warnt die WHO, könnten jährlich zehn Millionen Menschen weltweit an antibiotikaresistenten Keimen sterben, derzeit seien es mindestens 700.000.

Es braucht also dringend neue Mittel im Kampf gegen die resistenten Erreger. Doch viele Pharmafirmen haben sich aus der Entwicklung von Antibiotika zurückgezogen, denn das Feld wirft nicht genug Gewinn ab. „Die Entwicklung von Antibiotika bis zur Zulassung ist gleich aufwändig wie die von Krebsmedikamenten. Sie werden aber nur kurz verabreicht. Zudem werden neue Antibiotika restriktiv gegen multiresistente Keime eingesetzt, was die Einnahmen ebenfalls schmälert“, erklärt Markus Zeitlinger von der Med-Uni Wien. Daher hat der Mediziner, unterstützt vom Wissenschaftsfonds FWF, ein Verfahren erarbeitet, mit dem die Antibiotika-Entwicklung schneller und damit lukrativer werden soll.

Winzige, strahlende Dosis

Der Schlüssel der Methode liegt in der Bestimmung der Pharmakokinetik, also der Konzentration, in der ein verabreichter Wirkstoff auch tatsächlich an den Ort im Körper gelangt, wo er wirken und den Krankheitserreger abtöten soll. Um dies festzustellen sind normalerweise langwierige und teure Versuchsreihen nötig. Hier hat Zeitlinger eine Abkürzung gefunden, indem er die Menge des Wirkstoffs auf eine garantiert unbedenkliche Mikrodosis reduzierte und mit radioaktiven 14C-Kohlenstoffisotopen markierte – so kann er gefahrlos am Menschen getestet werden.

In dem zweijährigen klinischen Forschungsprojekt wurde so die Pharmakokinetik eines bereits zugelassenen Antibiotikums in Lunge und Weichteilen geprüft. 18 gesunden Probanden wurde das mikrodosierte Medikament intravenös verabreicht. Anschließend wurde eine Lungenspülung vorgenommen und der Wirkstoffspiegel in der Spülflüssigkeit aus der Lunge mit einem extrem sensitiven Massenspektrometer bestimmt. Mit einer winzigen Sonde im Oberschenkel (Mikrodialyse) konnte gemessen werden, wie viel frei verfügbares Antibiotikum in der Flüssigkeit zwischen den Gewebezellen enthalten ist.

„Wir konnten mit der Mikrodialyse zeigen, dass schon eine unbedenkliche Mikrodosis die Pharmakokinetik im Gewebe gut beschreibt“, so Zeitlinger. Auch in der Lungenspülflüssigkeit gelang der Nachweis. Mit dem Verfahren hofft der Mediziner, die Forschung an lebenswichtigen Medikamenten schneller, attraktiver und effektiver zu machen – bis zu zwei Jahre Zeit und zwei Millionen Euro sollen sich durch die Kombination von Mikrodosis und Gewebspharmakokinetik sparen lassen.
Als nächstes will Zeitlinger prüfen, ob man das Konzept auch bei einer Salbe anwenden kann. (däu)

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