Pharmabranche

Führt Corona zu Pharma-Megadeal?

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FILES-US-HEALTH-VIRUS-PHARMACEUTICAL-DRUGSAPA/AFP/POOL/ULRICH PERREY
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Der britische Pharmakonzern Astra-Zeneca und die US-Biotechfirma Gilead sprechen über einen möglichen Zusammenschluss. Beide sind im Kampf gegen Corona weit vorne.

Die Aktionäre von Astra-Zeneca reagierten am Montag auf die Neuigkeiten nicht begeistert. Als bekannt wurde, dass das britische Pharmaunternehmen mit dem US-Biotech–Konzern Gilead informell Gespräche über eine Fusion führt, sank der Kurs der Aktie in London um 2,6 Prozent.

Warum sollte sich Astra-Zeneca gerade jetzt mit dem Hauptkonkurrenten zusammenschließen, fragen sich die Anteilseigner. „Die Wachstumsaussichten von Astra Zeneca sind beeindruckend und das Unternehmen hat vielversprechende Medikamente in der Pipeline. Strategisch ist die Übernahme daher jetzt wenig sinnvoll“, schreibt Analyst Peter Welford von der Investmentbank Jefferies. Ein Zusammenschluss der beiden Konzerne wäre die bisher größte Fusion in der Pharmaindustrie. Der britische Konzern, der gerade erst von US-Präsidenten Donald Trump 1,3 Milliarden Dollar an Forschungsgelder überweisen bekam, um mit Hochdruck an einer Impfung gegen Covid-19 zu arbeiten, müsste wohl mehr als 100 Milliarden Dollar für den Biotechkonzern aufbieten, um mit seinem Werben Erfolg zu haben.

46 Mrd. Euro gemeinsamer  Umsatz

Gileads Firmenwert liegt laut Schätzungen von Experten derzeit bei rund 96 Milliarden. Sollte die Transaktion tatsächlich spruchreif werden, würden die beiden Riesen gemeinsam unter die fünf größten Pharmahersteller weltweit aufrücken – mit einem kombinierten Umsatz von rund 46 Milliarden US-Dollar (Stand Geschäftsjahr 2019)

Dass die beiden Firmenchefs Pascal Sorio (Astra-Zeneca) und Daniel O'Day gerade Gespräche aufgenommen haben, hat auch mit der Corona-Pandemie zu tun.

Gilead verfügt mit seinem Wirkstoff Remdesivir derzeit über das einzige Medikament, dem zumindest eine gewisse Wirkung gegen das Virus zugesprochen wird. Jedenfalls lassen sich mit dem Mittel hohe Umsätze machen. Analysten rechnen mit sieben Milliarden Dollar alleine für den Vertrieb von Remdesivir.

Und Astra-Zeneca hat sich zum Ziel gesetzt, noch dieses Jahr gemeinsam mit der Universität Oxford einen Impfstoff gegen das gefährliche Virus herzustellen.

Damit zeigt das britische Unternehmen, dass es künftig seine Palette erweitern will. Bisher war nämlich Astra-Zeneca vor allem auf Krebs-, Atemwegs- und Herzkreislaufmedikamente fokussiert. Jetzt will das Management offenbar in neue Therapiefelder investieren, im Impfstoffbereich war der Konzern bisher nicht vertreten. Eine Übernahme von Gilead wäre ein weiterer strategischer Schritt, sich mehr mit Infektionskrankheiten zu befassen, die angesichts der Corona-Pandemie zu einem der wichtigsten Bereiche in der Pharmabranche geworden sind.

Gegenseitige Ergänzung

Doch was hätte Gilead davon, sich mit Astra-Zeneca zusammen zu tun? Das Unternehmen, das seinen Firmensitz in Foster City in Kalifornien hat, ist besonders stark bei der Erforschung und Produktion von antiviralen Arzneimitteln – konkret der führende Anbieter von HIV- und Hepatitis-C-Medikamenten. Alle Bemühungen sich – wie Astra-Zenaca – sich im onkologischen Bereich zu etablieren, sind bis dato jedoch gescheitert. Ein Grund, der für eine Fusion mit den Briten spricht.

Ob es tatsächlich dazu kommt, ist schwer vorherzusagen. Bisher hat Astra-Zeneca keinerlei Anstalten gemacht, mit andern Pharmaunternehmen zusammenzugehen. Im Gegenteil: 2014 wehrte der Konzern einen Übernahmeversuch der US-Pharmafirma Pfizer ab. Die Zurückhaltung hat sich bisher als der richtige Weg erwiesen. Derzeit hat Astra-Zeneca einen Marktwert von über 130 Milliarden Euro und war vor wenigen Tagen das teuerste Mitglied des Londoner Börsenindex. Wie es nun weiter gehen wird? Weder Gilead noch Astra-Zeneca waren am Montag zu einer Stellungnahme bereit. (hec)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.06.2020)

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