Die blockierte Republik

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Der jetzige Aufschub der Finanzstrafreform ist typisch: Die lange Bank ist das Lieblingsmöbelstück der rot-schwarzen Regierung. Vor der Wien-Wahl landet von den Pensionen bis zur Verwaltung alles dort.

Wien. Die SPÖ blockte die von Finanzminister Josef Pröll vorbereitete Finanzstrafreform gegen Steuerbetrug ab. Die ÖVP meldete Bedenken gegen die neue Form der vom Kanzleramt geplanten Förderung der Parteiakademie an. Damit wurde am Dienstag nichts aus dem Sanctus für beide Gesetze im Ministerrat (siehe eigenen Bericht). Blockade statt Beschlüsse: rot-schwarze Realität im Sommer 2010 vor der Wiener Gemeinderatswahl am 10. Oktober.
•Bei der Finanzstrafreform war Bundeskanzler Werner Faymann die vorgelegte Lösung zu lasch, weil nach SPÖ-Meinung Steuersünden bei Aktienverkäufen strenger bestraft gehören. Im Falle dieser Neuregelung soll jedoch bereits beim nächsten Ministerrat am 24.August ein weiterer Anlauf unternommen werden.

Bei etlichen weit umfangreicheren Reformen haben SPÖ und ÖVP auf Bundesebene hingegen in trauter Einigkeit signalisiert, dass vor dem 10. Oktober Funkstille herrschen wird, um die Bevölkerung nur ja nicht aufzuschrecken: Das Budget 2011 wird mit Verspätung erst Anfang Dezember präsentiert; bei der Beamtengehaltsrunde wird es frühestens Ende Oktober/Anfang November wirklich spannend; sämtliche unangenehmen Einschnitte bei den Pensionen sind auf die Zeit nach der Wien-Wahl vertagt; beim neuen Dienstrecht für Lehrer hat das Unterrichtsressort schon wieder gut ein halbes Jahr Verspätung.

Was ist blockiert und wie geht es nun weiter?


Verwaltungsreform: Die nächste Sitzung der Arbeitsgruppe der Regierung war noch für Juli zum Thema Förderungen vorgesehen gewesen. Inzwischen wurde dieses Treffen aus organisatorischen Gründen wegen der Urlaubstermine abgesagt. Wann es weitergeht, ist offen.


Bund-Länder-Paket: Für eine ganze Reihe von Vorhaben des Bundes – von der Verwaltungs- und Staatsreform bis zu Änderungen in der Schulorganisation und bei den Lehrern – ist Einvernehmen mit den Bundesländern notwendig, das nach wie vor aussteht. Der derzeitige turnusmäßige Vorsitzende der Konferenz der Landeshauptleute, Niederösterreichs Landeschef Erwin Pröll (ÖVP), hat erst in der Vorwoche mit Bundeskanzler Faymann die weitere Vorgangsweise besprochen. Fest steht, wie der „Presse“ im Büro Prölls bestätigt wurde, dass es vor und nach dem 10. Oktober jeweils zu einem Treffen der Landeshauptleute kommen wird: „Wir haben eine klare Planung.“

Offen ist allerdings, ob es vor der Wien-Wahl auch Entscheidungen geben wird. Differenzen sind jedoch vorprogrammiert. Denn Erwin Pröll hat nach dem Treffen mit dem Kanzler kein Hehl daraus gemacht, dass er zentralistische Tendenzen „nicht zulassen“ werde.


Pensionserhöhung: Der Regierung kommt bei ihrer Hinhaltetaktik zugute, dass die formal notwendige Sitzung der Pensionskommission, die den Faktor für die Pensionserhöhung errechnet, wie im Vorjahr erst Ende Oktober, rund 14 Tage nach der Wien-Wahl, einberufen wird. Schon im Frühjahr sind Pläne für ein Aussetzen der Pensionserhöhung aufgetaucht. Die Erhöhung muss laut Gesetz jeweils bis zum 30.November eines Jahres beschlossen werden.

Im Vergleich mit 2008 fällt der Unterschied bei der Vorgangsweise allerdings am deutlichsten auf: Damals fiel die Pensionserhöhung letztlich nicht nur großzügiger aus und wurde um zwei Monate vorgezogen, sondern sie wurde in völlig unüblicher Weise schon im September – nicht zufällig wenige Tage vor der Nationalratswahl – beschlossen.


Pensionsreformen: Seit Monaten herrscht abgesehen von Beratungen der Sozialpartner praktisch Funkstille um etwaige Verschlechterungen und Eingriffe. Dies gilt vor allem auch für die teure Hackler-Frühpension, deren Kosten der Regierung über den Kopf wachsen. Sozialminister Rudolf Hundstorfer (SPÖ) ist nicht zu beneiden: Er muss jedenfalls hunderte Millionen an Einsparungen bei den Pensionen aufbringen.

AUF EINEN BLICK

Im Sommerministerrat kam es am Dienstag weder zum Beschluss der Finanzstrafreform noch zur Neuregelung der Förderung der Parteiakademien. Nun gibt es bei den Sitzungen der Bundesregierung eine einmonatige Pause. Der nächste Ministerratstermin ist für 24. August angesetzt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.07.2010)

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